Rahel Levin Varnhagen
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„Ich bin so einzig, wie die größte Erscheinung dieser Erde. Der größte Künstler, Philosoph, oder Dichter ist nicht über mir. Wie sind vom selben Element. Im selben Rang, und gehören zusammen. Und der den andern ausschließen wollte, schließt nur sich aus. Mir aber war das Leben angewiesen; und ich blieb im Keim, bis zu meinem Jahrhundert und bin von außen ganz verschüttet, drum sag’ ich’s selbst.“ Diese Briefzeilen gingen im Jahre 1805 an David Veit, einen jüdischen Medizinstudenten und Freund der Verfasserin. Die Kühnheit ihrer Worte hat Anstoß erregt. In Wirklichkeit aber sind sie eine objektive Selbstdefinition mit historischem Überblick, den nur sie selbst geben konnte, denn sie allein wußte, welche Fähigkeiten sie hatte, die nicht zur Geltung kommen konnten, da es noch keine „Anstalt“, keine Entfaltungsmöglichkeiten für sie gab, keine angemessenes öffentliches Forum. „Ich blieb im Keim, bis zu meinem Jahrhundert.“ Ihr Jahrhundert ist freilich nicht das 18., in dem sie lebte, - ihr Denken, radikal und kompromißlos, führt aus ihrer Zeit hinaus – und ist weitaus vorurteilsfreier als z. B. das Denken der Aufklärer, die alle Männer waren und, - mit einer Ausnahme – Nichtjuden. Die Aufklärung – das wissen wir heute, - versagte an ihren gesellschaftlichen Außenseitern: den Frauen und den Juden. Rahel Levin, verheiratete Varnhagen von Ense, Salonière, Brief- und Tagebuchschreiberin, als Jüdin doppelt von der Gesellschaft Ausgeschlossene, existierte lange Zeit nicht für die germanistische Philologie. Ihr Frau- und Jüdinsein erschwerte lange Zeit hindurch eine angemessene Würdigung ihrer Lebensleistung, die zudem quer lag zum gängigen normativen Literaturkanon (der z. B. Briefe als bloßes „weibliches“, d. h. minderes Schreiben, abtat). Die „Frankfurter Rundschau“ nannte ihr Werk, - das 1983 erstmals wieder in einer Neuausgabe zugänglich war – „den vielleicht reichsten Schatz der deutschen Literatur, weitgehend ungehoben und nur zu Teilen überhaupt erst veröffentlicht.“