Kindliche Fremdheit und pädagogische Gerechtigkeit
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Die ‚Entdeckung des Kindes’ fällt mit der Wahrnehmung seiner Fremdheit zusammen. Wie mit ihr umzugehen sei, ohne sie aufzuheben, bildet eine paradoxe Herausforderung an die Pädagogik. Diese Paradoxie wird noch gesteigert, wenn man die Frage aufwirft, wie man dem ‚fremden Kind’ in seiner Singularität gerecht werden soll. Die Entdeckung der kindlichen Eigentümlichkeit und Fremdheit vor allem durch Rousseau bildet einen entscheidenden Ausgangspunkt des neuzeitlichen Nachdenkens über Erziehung. Wie man dieser Fremdheit gerecht werden kann, ohne sie als Fremdheit zu negieren, bezeichnet daher eine grundlegende Fragestellung der Pädagogik. Die Annäherung an die Lösung dieses Problems führt in ein Dilemma: Wenn man (wie die Pädagogik, aber auch andere geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen) versucht, die fremde Kindheit in ihrer Eigenlogik zu vermessen oder zu verstehen, löst man die Fremdheit auf und gewinnt die Möglichkeit eines Verfügungsanspruchs. Die ‚fremde Kindheit’ erscheint nun zugänglich und berechenbar. Die Auflösung des Problems vernichtet dieses und damit den problematisch bleibenden Ausgangspunkt der Pädagogik. Er scheint sich allerdings gegenwärtig – trotz der wissenschaftlichen Erforschung der Kindheit – eher noch zu verschärfen. So gewinnt die Frage, wie man dem fremden Kind gerecht werden kann, vor dem Hintergrund gegenwärtiger interdisziplinärer Diskussionen um die Dezentrierung des Subjekts oder auch die unzugängliche Andersheit des Anderen – die Singularität – eine neue Dringlichkeit.