Babyphon
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Aller Anfang als Mama und Papa ist schwer: ein hilfloses kleines Wesen, entzückend, putzig und recht eigensinnig, tritt trotz neunmonatiger Vorbereitungsphase recht unvermittelt in das Leben zweier Menschen und stellt dieses gehörig auf den Kopf. „Schlafen geht nicht mehr, Trinken geht nicht mehr, Lungern, Sex und Fernsehkucken höchstens manchmal“, so beschreibt Titanic-Redakteur Thomas Gsella die Umwälzungen und Entbehrungen, die der Familienzuwachs mit sich bringt. Fakt ist: Aus zweien werden drei oder auch mehr, aus einem Paar wird eine Familie. Volle Windeln, surrende Waschmaschinen, nervenzerrendes Geschrei und schlaflose Nächte gehören ebenso dazu wie die elterliche Angst, das Wehklagen des neuen Erdenbürgers fehl zu interpretieren oder gar zu überhören. Gottlob gibt es jedoch Mittel, dies zu verhindern. Das Babyphon ist ein solches. Das unscheinbare handliche Gerät, vor zirka 30 Jahren aus industriellen Wechselsprechanlagen hervorgegangen, gehört längst zur Grundausstattung von Familien mit Kleinkindern. Nacht für Nacht, Tag um Tag stellt es seine Dienste bereit und überträgt die Geräusche des Kindes - von der sogenannten Sendeeinheit zur Empfangseinheit. Glaubt man den Herstellern, so erleichtert der kleine Helfer den Betreuungspersonen den Familienalltag, und ermöglicht ihnen eine gewisse Unabhängigkeit und Unbeschwertheit. Die Autorin hat jenes scheinbar so schlichte, selbstverständliche Gerät genauer untersucht und dessen verborgenen Facetten aufgespürt. Bei näherer Betrachtung erwies es sich als recht komplexes „sozio-technisches“ Gebilde, das viel mehr nur als Babys Weinen mitteilt. In der Verwendung eines Babyphons spiegeln sich elementare Vorstellungen von Familie und Erziehung, vom verantwortlichen Umgang mit Kindern und ihrer Umwelt wider. In ihrer kleinen Kulturgeschichte des Babyphons versucht die Verfasserin Antworten zu geben - und zwar nicht nur auf die Frage nach der Bedeutung des kindlichen Schreiens und den elterlichen Reaktionen darauf. Sie beleuchtet beispielsweise die Parallele zum Telefon und zu dessen kulturellen Verheißungen und deckt die familiären Konsequenzen der Entstehung von Kinderzimmern auf. Schließlich untersucht Andrea Mihm den alltäglichen Gebrauch des Babyphons auch vor dem Hintergrund elterlicher Sorge. Sie arbeitet heraus, warum dieses Gerät nicht nur ein Ausdruck der Ängste um das Wohlergehen des Kindes ist, sondern auch des Bedürfnisses nach Kontrolle und Macht über den Nachwuchs. In der Auseinandersetzung mit Funkstörungen und dem in jüngerer Zeit viel diskutierten Elektrosmog beschreibt die Autorin schlussendlich auch die babyphonalen Kehrseiten.