Konrad Adenauer, Jakob Kaiser und die "kleine Wiedervereinigung"
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Heinrich Schneider nannte Konrad Adenauer eine „Sphinx“, weil seine Saarpolitik unergründlich sei. Tatsächlich lavierte der erste Bundeskanzler im Zeitraum von 1949 bis 1955 zwischen Rückgliederung und „Europäisierung“ der „autonomen“ Saar. Er beschränkte sich keineswegs auf Verhandlungen mit Frankreich, sondern streckte auch im Saarland selbst in aller Stille seine Fühler aus, die bis zu Ministerpräsident Hoffmann reichten. Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, war sein regierungsinterner Gegenspieler, der Adenauers Winkelzüge nicht zu Unrecht als Risiko für die erhoffte „Kleine Wiedervereinigung“ einschätzte. Obwohl Auswärtiges Amt und BMG über die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland und die undemokratischen Verhältnisse im Saarland die gleiche Auffassung vertraten, fanden sie keine gemeinsame Grundlage für eine international tragfähige Bereinigung der Saarfrage. Die Kraftprobe gipfelte in Bestrebungen des Kanzlers, seinem unbotmäßigen Minister die Zuständigkeit für die Saar zu entziehen. Kaiser behauptete sich jedoch dank eines breiten, parteiübergreifenden Rückhalts in Bonn. Adenauer schuf nach vielen vergeblichen Anläufen schließlich in den Verhandlungen mit Paris die VorausSetzungen für eine freie Entscheidung der Saarbevölkerung am 23. Oktober 1955, die dann ironischerweise im Sinne Kaisers ausfiel. Auf der Basis der Akten des Auswärtigen Amtes und des BMG kann der Autor erstmals den faszinierenden Machtkampf zwischen dem kaltblütig-pragmatischen Adenauer und dem leidenschaftlich-patriotischen Kaiser bis in die feinsten Verästelungen interner saarländischer AuseinanderSetzungen rekonstruieren.