Fremdes beseelt
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Es ist ein seltener Fall, dass ein Künstler, eine Künstlerin, über ein Jahrhundert Rechenschaft ablegen kann, setzt dies doch nicht nur ein sehr hohes Alter voraus, sondern auch, dass dieses Alter bei geistiger Frische erreicht wird. Ein ungewöhnlich seltener Fall aber dürfte es sein, wenn eine Künstlerin im heftigen Wechselspiel der Zeitläufe, von den Nazis verfolgt, das erreicht. Und beinahe singulär ist es, wenn dieser Punkt, wie bei Jrene Brann, im Vollbesitz der geistigen Kräfte und in uneingeschränkter Vitalität erreicht wird. Darüber gibt dieses Buch beredte Auskunft. 'Beredte Auskunft' deshalb, weil die Lebendigkeit des gesprochenen Wortes etwas anderes ist als der tote Buchstabe und die unmittelbare Begegnung etwas anderes als eine Abbildung. Darum haben die Herausgeberin Ursula Steiner und der Verlag sich entschlossen, den von Jrene Brann diktierten Lebensbericht, nur in sehr engen Grenzen, einer Bearbeitung, einem Lektorat, zu unterziehen. Die Eloquenz und Frische des Textes schien ihnen so am besten gewährt. Dieses Buch gibt aber nicht nur Auskunft über ein langes Leben sondern auch über ein reiches Werk. Jrene Brann hat nach ihrer Ausbildung zur Fotografin zu Beginn der 30er- Jahre in Deutschland, in Südamerika bei dem bedeutenden Wiener Maler Adolf Winternitz Bildende Kunst studiert und in Lima – bei Winternitz – an der Academia de Arte Católico ihr Studium abgeschlossen. Die Bilder – die Publikation zeigt nur einen kleinen Querschnitt durch das Werk Jrene Branns – vereinen in gewisser Weise die Tradition Europas mit der Lebensfreude Südamerikas, die gegenständliche Treue des Grossvaters Adolf Nöther mit der emanzipierten Expressivität des Lehrers Adolf Winternitz.