Traduttore traditore - Vermittler durch Verrat
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Traduttore traditore – das italienische Sprichwort artikuliert den Verdacht, dass Translatoren Betrüger und Verräter sind, sei es, dass sie ihren sprachlichen und kulturellen Wissensvorsprung bewusst missbrauchen, sei es, dass sie selbst keine Kontrolle über das haben, was mit Translation geschieht. Diese Vorstellung vom Translator birgt ein ästhetisches Potential, dessen sich Erzählungen und Romane der Autoren Jorge Luis Borges, Italo Calvino und Leonardo Sciascia bedienen. Die Translatorfiguren in ihren Texten agieren entweder, den traduttore traditore zitierend, als Verräter und Betrüger oder aber, im Sinne eines Gegenpols zum verräterischen Translator, als Vermittler. Das Spiel der Texte mit diesen stereotypen Vorstellungen vom Translator dient der metafiktionalen Selbstreflexion über die Funktion(en) von Autor, Leser und Text vor dem Hintergrund der weitgehend zeitgenössischen poststrukturalistischen Theorien. Beispielsweise ist der Translator gleichzeitig Rezipient und Produzent von Textmaterial und bildet damit eine geeignete Denkfigur für die Annahme, dass Lesen und Schreiben einander bedingen. Doch kein Stereotyp ohne den Vorwurf der Übertreibung, keine Theorie ohne Widerspruch: Der Facettenreichtum des Translators in seiner Eigenschaft als Grenzgänger zwischen Sprachen, Kulturen, Gattungsbegriffen etc. legt es nahe, die artikulierten Ideen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.