Blut als Tinte
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Der japanische Literaturmarkt, die Rolle der Autoren und die Erwartungen der Leser haben sich seit den achtziger und neunziger Jahren stark verändert. Intimität ist zur öffentlichen Ware geworden und Privatsphäre hat eine andere Bedeutung erhalten. Ist da überhaupt noch Platz für die japanische Ausprägung des Ich-Romans, den shishosetsu, in dem es traditionell um Fragen der „Authentizität“, „Unmittelbarkeit“ und „Selbstentblößung“ ging? Die vorliegende Studie zeigt, dass sich der shishosetsu wider Erwarten innerhalb der Populärliteratur und in Konkurrenz zu Blogs, Internettagebüchern, light novels oder Entertainment-Romanen behauptet hat. Gegen die massenhaft konstruierte Wirklichkeit von Fernsehen und Internet setzt der „neue shishosetsu“ nun nicht mehr auf Reflexionslosigkeit oder „ungefilterte“ Gefühle, sondern auf eine konstruierte Wirklichkeit mit dem Anspruch, sie sei wirklicher als die „mediale Wirklichkeit“. Was früher über die direkte Entblößung des Gefühls vermittelt wurde und einst jeden Anschein von Konstruktion vermied, ist nun zur offenen Inszenierung geworden, die sich eklektisch aus der kulturellen und literarischen Tradition Japans bedient. Im Rahmen der neueren Selbstzeugnisforschung stellt die vorliegende Studie den ersten Versuch dar, sich erzähltheoretisch mit aktuellen – bisher für die Japanologie noch nicht erschlossenen – shishosetsu auseinanderzusetzen und die Art und Weise der Selbstinszenierung der Autoren sowie den medialen und kritischen Umgang mit ihnen zu bewerten.