Die Leitlinienkompetenz des Bundeskanzlers auf Basis des österreichischen Unionsverfassungsrechts als Ergänzung des Ressortsprinzips
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Die Anforderungen an die Regierung eines EU-Mitgliedstaates sind angesichts der Supranationalisierung und Internationalisierung rechtlicher und politischer Entscheidungen vielfältig. Auch die österreichische Bundesregierung ist gefordert, im Rahmen komplexer Netzwerkstrukturen und Mehrebenensysteme unter Beteiligung von staatlichen, halbstaatlichen und privaten Akteuren langfristige Querschnittspolitiken und -materien wie soziale Kohäsion, nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, demographischer Wandel oder Finanzmärkte strategisch zu gestalten. Daraus ergibt sich die Frage, ob die historisch gewachsene Architektur und Struktur des österreichischen Regierungssystems auf Bundesebene, das nach wie vor vom Ressortprinzip dominiert wird, dieser Situation noch gerecht werden kann. Im Zentrum der Untersuchung steht die durch das Spannungsverhältnis zwischen Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers, Kollegialprinzip und Ressortprinzip geprägte Stellung und Funktion des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes als Regierungszentrale. Die Konsequenzen auf nationaler Ebene, die sich aus der Zugehörigkeit des Bundeskanzlers zum Europäischen Rat als politischem Führungs- und Leitorgan der EU ergeben, werden erörtert. Aufgrund der umfassenden Öffnung der österreichischen Rechtsordnung gegenüber der Unionsrechtsordnung ist eine neue materielle Rechtsschicht – das staatliche Unionsverfassungsrecht – entstanden. Die Änderungen der bundesverfassungsrechtlichen Regelungen bezüglich der Organisation und Architektur der Bundesregierung werden im Zusammenspiel mit den Bestimmungen des EU-Primärrechts über Funktionen, Aufgaben und Wirkungsbereich des Europäischen Rates als Leitorgan der EU untersucht.