Von deutschen Herzen
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E. Marlitt (eigtl. Eugenie John, 1825-1887) zählte mit Romanen wie Goldelse, Reichsgräfin Gisela und Die Frau mit den Karfunkelsteinen zu den meistgelesenen deutschsprachigen Schriftstellern ihrer Zeit. Heute gilt sie den einen als 'Kitschtante' und Urmutter des trivialen Frauenromans, den anderen hingegen als kämpferische Liberale, die in ihren Werken gegen die Vorrechte des Adels, für soziale Gerechtigkeit und Toleranz und nicht zuletzt für die Rechte der Frauen Stellung bezog. Die Gegensätzlichkeit dieser Auffassungen gibt deutlich zu erkennen, dass dem 'Phänomen Marlitt' mit vorgefertigten Schubladen-Urteilen letztlich nicht beizukommen ist. Tobias Klein nähert sich dem Werk dieser einst hoch geschätzten, von der Nachwelt aber meist belächelten Autorin in seiner Untersuchung „Von deutschen Herzen - Familie, Heimat und Nation in den Romanen und Erzählungen E. Marlitts“ aus einem gänzlich neuen Blickwinkel: Er interpretiert die Liebesgeschichten der Marlitt als Allegorien eines nationalen Einigungs- und Konsolidierungsprozesses. Familie und Heimat erscheinen in dieser Lesart als Modelle eines Harmonie versprechenden Gesellschaftsentwurfs unter dem Banner der Nation. Hierin zeigt sich E. Marlitt, wie Klein akribisch aufzeigt, einem 'organischen' Verständnis von Gesellschaft und Nation verpflichtet, wie es etwa auch der einflussreiche konservative Sozialtheoretiker Wilhelm Heinrich Riehl (1893-1897) vertrat. Das Buch diskutiert eindringlich die Bedeutung der Unterhaltungsliteratur - insbesondere des Fortsetzungsromans in der periodischen Presse - für die öffentliche Bewusstseinsbildung im zeitlichen Umfeld der deutschen Reichsgründung und stellt dabei auch die Frage nach dem Fortwirken von Elementen eines konservativen Ordnungsdenkens in trivialen Literaturgenres bis hin zu aktuellen Film- und Fernsehproduktionen.