Reisesucht
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Der Arbeitsweg von rund eineinhalb Millionen Deutschen beträgt mehr als 50 Kilometer. Bis zu zweieinhalb Stunden Fahrzeit täglich sind laut Bundesagentur für Arbeit für Pendler zumutbar. Auch Geschäftsreisende befinden sich stets auf dem Weg, auf dem Sprung, auf der Durchreise. Mit der Eisenbahn, dem Schiff, dem Automobil und dem Flugzeug wurden Transportmittel konstruiert, deren technische Beschleunigung sowie infrastrukturelle Vernetzung dem Menschen viele Möglichkeiten geben, Distanzen zu überwinden und sich im physischen Raum fortzubewegen. Telekommunikationsmittel wie das Telefon und das Internet ermöglichen es zudem, virtuell an den entferntesten Orten präsent zu sein. Das Verkehrs- und das Kommunikationssystem machen sich die modernen Nomaden zunutze, wenn sie auf dem Weg zum Geschäftstermin den Globus umrunden. Sie alle, die auf dem täglichen Weg ins Büro einen Check-in Schalter oder Ländergrenzen passieren und für einen vielversprechenden Job ihre gewohnte Umgebung häufig wechseln, werden unter der Metapher der modernen Nomaden gefasst. Sie reisen in den modernsten Verkehrsmitteln um die Welt: heute Frankfurt, morgen New York, übermorgen Shanghai und am Wochenende wieder zurück. Immer mit dabei sind Kommunikationsmittel wie Laptop und Smartphone, um Mobilität auf allen Ebenen zu garantieren. Sie sind die modernen Nomaden im Rausch der Mobilität. Ihre Sucht nach ständiger physischer und virtueller Präsenz – ihre Reisesucht – wird Gegenstand dieses Buches sein. In der medienwissenschaftlichen Untersuchung wird ein Umriss des Nomadischen in seinen vielfältigen Facetten gezeichnet, um den flüchtigen Eindruck eines Begriffs zu schärfen, der sich jeder Definition entzieht. Dies gelingt durch Gegensatzpaare und somit der Abgrenzung vom Außen, vom Sesshaften. Auch wird die Beziehung der dem Nomaden immanenten Mobilitätssysteme zueinander analysiert – der Zusammenhang zwischen Verkehr und Kommunikation. Die grundlegende Fragestellung ist dabei, warum der moderne Nomade weiterhin physisch mobil bleibt und sich nicht mit seinem Rechner auf der heimischen Couch ins Virtuelle zurückzieht. Was führt dazu, dass sich die Reisesucht nicht ersetzen lässt? Als das ausbleibende Moment des Virtuellen werden die Spaltung des Raums und des Körpers, vor allem aber die Haptik und die Aura, die Einmaligkeit voraussetzt, herausgearbeitet. Der virtuelle Raum stellt eine Erweiterung, ein Medium des physischen dar. Der Unersetzbarkeit der physischen Mobilität wird die These vom menschlichen Bedürfnis nach ‚Medienlosigkeit? zugrundegelegt.