Traumatologie des Daseins
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Selten ist ein Schriftsteller in seiner Prosa härter mit der menschlichen Zivilisation ins Gericht gegangen als der 2001 verstorbene deutsche Autor W. G. Sebald. In vielen Romanen Sebalds – besonders natürlich in , Austerlitz’ und , Die Ausgewanderten’ – steht auf den ersten Blick die Kritik am Nationalsozialismus und den Verbrechen der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs im Mittelpunkt. Doch Sebalds Kritik geht sehr vieler tiefer und lokalisiert die Wurzeln des Übels in der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft selbst, die die Großkatastrophen des 20. Jahrhunderts gleichsam unbeschadet überstanden hat. Hinter der modernen Technik des fortschrittsgläubigen Bürgertums erkennt der Autor überall das Prinzip der Zerstörung und letztendlich: der Vernichtung des Lebens. Die Desintegration des Lebens, die alle organischen Phänomene überschattet, markiert folglich das zentrale Motiv im Werk des deutschen Autors. In seinen Texten steht Sebald nun vor dem Problem, die grausamen Realitäten des Systems der menschlichen Zivilisation und der Sphäre der organischen Welt in ein relatives (bzw. relativierendes) Verhältnis zueinander zu setzen, um den globalen Zusammenhang der Vernichtung in Natur und Kultur literarisch abbilden zu können. Sebald meistert diese Aufgabe – so die These dieser Studie –, indem er sich eines panoptischen literarischen Verfahrens bedient, durch das es ihm möglich ist, den Leser ins Zentrum der Prosa zu setzen und ihm von dort aus den Blick auf das intrikate Netz der Kalamitäten in der Natur- und Kulturgeschichte zu ermöglichen. Durch dieses ästhetische Verfahren gelingt es Sebald gleichzeitig, die Relativität der Großkatastrophen und die traumatische Realität der Vernichtung als Grundprinzip des Organischen – des Lebens an sich – herauszustellen.