Der Blinde
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„Du Narr, nur der Blinde sieht!“, triumphiert der blinde Herzog in Friedrich Dürrenmatts Drama Der Blinde (1947/1948) über seine sehenden Gegenspieler. Über alle literarischen Epochen hinweg haben Blinde fasziniert, weil sie existenziell ‚anders‘ erscheinen: Wie kein anderer Sinn ist der Sehsinn mit dem menschlichen Selbstverständnis verknüpft. Diese Andersartigkeit führt die Blindheit weit über die Grenzen eines physiologischen Charakteristikums hinaus und macht sie zu einer komplexen Metapher menschlicher Eigenschaften, zu einem tief in der Kulturgeschichte verwurzelten Sinnbild von Ängsten und Sehnsüchten. Die vorliegende Studie widmet sich erstmals der Konstruktion blinder Figuren in der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Mit Texten u. a. von Ingeborg Bachmann, Günter Eich, Max Frisch, Peter Handke und Martin Walser werden in Einzelstudien kanonisierte, aber auch wenig bekannte und bislang unveröffentlichte Werke fokussiert. Untersucht werden die Figuren dabei sowohl unter ästhetisch-motivgeschichtlichen Gesichtspunkten als auch in Hinblick auf ihre Wahrnehmung, ihre psychische Konstitution und ihre Beziehung zur Umwelt. So entfaltet sich ein dichtes Netz von Bezügen zwischen der Gestaltung des Blindheitsmotivs und der literaturgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Entstehungszeit.