Jüdisches Leben und Leiden in Konstanz
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Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn 50 Jahre Israelitische Kultusgemeinde Konstanz . Da ich die Israelitische Kultusgemeinde Konstanz schon seit Ende der 1960er Jahre und bis gegen Ende der 1980er Jahre recht gut kannte und mit einigen ihrer Mitglieder befreundet war, will ich im Kontext der historischen Daten das Gemeindeleben gewissermaßen von innen darzustellen versuchen. Wie weit mir das gelungen ist, werden jene am besten beurteilen können, die damals dabei waren und heute glück-licherweise immer noch dabei sind. In den 1970er und 1980er Jahren war die Israelitische Kultusgemeinde personell ziemlich konstant, lebte in Toleranz und beträchtlicher Eintracht, obwohl sie sicherlich nicht homogen genannt werden konnte. Nur eine einzige Familie, die in Palästina bzw. Israel überlebt hatte, stammte aus Konstanz, alle anderen kamen ursprünglich teils aus verschiedenen Gegenden Deutschlands oder aus Polen und hatten in ganz verschiedenen Ländern überlebt. Gerade im damaligen Westdeutschland wollten diese überlebenden Juden nun vor allem mit ihresgleichen zusammenkommen. Die Israelitische Kultusgemeinde verstand (und versteht) sich als „Einheitsgemeinde“, d. h., alle Richtungen der jüdischen Tradition sollten sich unter ihrem Dach wohlfühlen. Es war wie in einer großen Familie. Die Gemeinde wurde von Landesrabbiner Prof. Dr. h. c. Nathan Peter Levinson (Heidelberg) betreut, der einmal pro Monat am Vorabend des Schabbat und an Schabbat die Gottesdienste leitete. Er war ein ebenso gelehrter wie umgänglicher Mann, der gehaltvolle Predigten hielt und alle anzusprechen verstand. Die dominante und integrierende Person war der Gründer der Gemeinde, Sigmund Schimon Nissenbaum, der mit viel Glück das Warschauer Ghetto, Treblinka und KZ-Außenlager in Süddeutschland überlebt hatte. Seine Frau Sonja galt als gute Seele der Gemeinde, über beide und andere Gemeindemitglieder wird im folgenden noch mehr zu sagen sein. Alle sollen auf diese Weise jedenfalls dankbar verewigt werden. Die erste jüdische Gemeinde im 13./15. Jahrhundert wie auch die zweite Gemeinde seit Ende des 19. Jahrhunderts und bis 1940 können hier nur kurz beschrieben werden, im Mittelpunkt stehen dem runden Jubiläum entsprechend die Goldenen bzw. Gesegneten Jahre der dritten Gemeinde seit 1964, die sich durch den enormen Zuwachs aus den GUS Staaten seit Anfang der 1990er Jahre bereits zu einer vierten Gemeinde entwickelt hat, worüber dann beim nächsten Jubiläum berichtet werden kann, wann immer dieses gefeiert werden wird. … Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in etlichen Bibliotheken in der Welt aufgehoben ist, wird nicht so schnell vergessen, damit vielleicht daraus gelernt werden kann. 14. Oktober 2014