Verbrannte Seelen
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Klitten. Klitten in der Oberlausitz. Vor siebzig Jahren gehörte das beschauliche Dorf zu Schlesien. Die Bewohner waren hauptsächlich in der Landwirtschaft und dem nahe gelegenen Braunkohlenbergbau beschäftigt. Hier lebten Deutsche mit der Minderheit der Sorben friedlich zusammen. Neben der evangelischen Kirche lebt seit über 170 Jahren die Kirchengemeinde der Altlutheraner ihren Glauben. Der friedliche Gemeinsinn bröckelte auch nicht, als während der Weimarer Republik in den deutschen Ballungszentren sich die Gesellschaft polarisierte und zunehmend radikalisierte. Als die neuen braunen Machthaber auch in Klitten den Gottesdienst in der sorbischen Sprache verboten, da waren es Deutsche, die sich über dieses Verbot hinweg setzten und die Predigt in der sorbischen Sprache hielten. Ja, und auch nicht alle der neu eingesetzten kleinen Führer nahmen es mit dem „Deutschland, Deutschland über alles“ nicht so genau. Der beginnende Terror des Hitlerregimes und der Widerstand dagegen, alles das war hier am westlichen Rand Schlesiens nicht spürbar. Und nicht nur hier. Es hat einen Wechsel der Regierung gegeben, wie es so viele in der Weimarer Zeit gegeben hat und irgendwann, so dachten nicht nur die Klittener, wird es wieder eine neue, eine andere Regierung geben. Mit Ausbruch des Krieges 1939 wurde alles anders. Die Väter und Söhne zogen in den Krieg und die fehlenden Arbeitskräfte wurden schon bald von so genannten Fremdarbeitern aus Polen, Russland und Frankreich ersetzt. Immer öfter brachte der Postbote die von den Familien gefürchtete Nachricht, dass ihre Väter und Söhne für Führer, Volk und Vaterland an der Front gefallen sind. Die Rationierung der Lebensmittel erhöhte die Unruhe im Dorf. Und schon bald stand die Rote Armee an der Neiße, keine fünfzig Kilometer von Klitten entfernt. Der Krieg, von Deutschland begonnen, kehrte nach Deutschland zurück. Er trifft mit aller Härte und Leid nun auch jene Deutschen, deren Lebensziel nicht darin bestand, ihr Glück in der Normandie oder in Stalingrad zu finden. Der Krieg kennt keine Differenzierungen. Hier gilt Aug um Aug und Zahn um Zahn, wie du mir, so ich dir. Am 18. April in der Mittagsstunde läuteten auch in Klitten die Glocken vom Kirchturm. Es war das Signal, das Dorf zu räumen. Der Geschützdonner kam immer näher. Die Klittener machten sich auf den Weg, niemand wusste wohin, nur die Richtung: Nach Westen, nach Westen. Die Trecks kamen schwer voran. Die Straßen waren schon verstopft von den zahllosen Flüchtlingsströmen aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen. Über diese von Angst und Schrecken erfüllten Tage und Stunden haben Klittener Bürger Tagebuch geführt und ihre erschütternden Erlebnisse niedergeschrieben. Diese Erinnerungen blieben Jahrzehnte in den Schubladen. Dieses Buch zeigt den schmerzlichen Alltag der Menschen aus jener Zeit, wo Menschenleben so billig waren wie Brombeeren. Wolfgang Nagorske