Ferngespräche
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Angesichts der digitalen Revolution mit Internet-fernsehen und Smartphone scheint es Äonen her, als Gasthäuser mit der Aufschrift 'Fremdenzimmer' und die öffentlichen Telefonzellen mit 'Fernsprecher' beschildert waren. Die Telefonie, die unter Ausschluss der anderen Sinne Mund und Ohr zweier Gesprächspartner eng aneinander rückt, ermöglicht eine ganz andere Konzentration als das Gespräch tête à tête oder per Skype. Die Form des 'Ferninterviews' haben Kluge und Stollmann gewählt, um Tiefensonden in die Geschichten und Filme von Kluge zu senken, die über Fragen, Kommentare, Rück- oder Querverweise etc. die allen literarischen Texten eigene Hermetik aufbrechen und auf eine Weise plastisch werden lassen, wie diese selbst es so nicht können. Das Buch geht Fragen nach wie etwa 'Kann man ›Das Kapital‹ verfilmen', 'Was ist eine Metapher?' oder fragt nach jenen Elementen der Katastrophen von Titanic und Costa Concordia, die 'getrennt marschierend, zum gleichen Desaster führen'. Den Mittelpunkt bildet 'Ein Fall von Internet-Telefonie über den Himalaya hinweg', nämlich ein Skype-Gespräch zwischen Alexander Kluge und dem Soziologen Wang Hui, der Literatin Wang Ge und dem Publikum in Peking. Es gibt mehrere rote Fäden, die alle 12 Gespräche durchziehen – stets ist die Frage virulent, wie ein gesellschaftliches Ereignis erzählbar gemacht werden kann, wenn es als ›fertiges‹ die Elemente nicht preisgibt, die dazu geführt haben – daraus leitet Kluge die Heterotypie und Polyphonie als zentrale Kategorien seiner Erzählformen ab. Die Senkbleie, hineingehalten und pendelnd in Kluges Geschichten, an denen sich seine speziellen Erzähltechniken kristallisieren, sind Begriffe wie Montage und Metapher, das Allgemeine / Einzelne / Besondere, Information und Narration, das Poetische und: die zärtliche Kraft.