Georg Simmels Ästhetik
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Georg Simmel (1858-1918) ist nicht nur einer der zentralen Begünder der Soziologie, sondern trug auch eine einflussreiche Ästhetik vor, die Wege in die Moderne wies. Simmels Ansatz ist doppelt ausgerichtet: Der säkular gearbeiteten und bis heute höchst erfolgreichen soziologischen Ästhetik, die der Grundorientierung am Konzept sozialer Wechselwirkung folgt und hier u. a. an Hand der Stadtporträts und der Koketterie verfolgt wird, steht eine in ihrem Gesamtprofil bisher nicht erfasste, emphatische Kunstphilosophie kulturalistischer Ausprägung gegenüber, die Artefakte als Schauseite der Metaphysik im Modus einer spezifischen Weltgründungskunst versteht. Negation der Arbeitsteilung, Formwerdung als kreativistische Entäußerung der ›Seele‹ sowie der Versuch einer Synthese von Werk- als Wirkungsästhetik mit ihrem Kern der Bedeutungsintensität sind einige Leitbegriffe, die u. a. unter Rekurs auf Goethe, den noch immer unbeachteten »Michelangelo«-Essay und die Bildreflexion des Rembrandt entfaltet werden, womit die Grenzen und Chancen von Simmels Denken radikaler Autonomie der Kunst um 1900 bestimmt werden können. Der Kunstphilosoph Simmel konturiert sich sowohl als esoterischer Hermeneutiker als auch früher Vertreter dezidiert existenzialer Ästhetik. Die kritische Würdigung von Simmels Anregungen zeigt in exemplarischen Analysen die Fruchtbarkeit Simmelschen Denkens in Kunsthistorie, liberalkonservativer Kulturtheorie und Frankfurter Schule. Simmels Ästhetik beeinflusste nachweislich Stiltypologie (Richard Hamann), ›empirische Kunstwissenschaft‹ (Max Raphael), selbst noch avantgardistische Weltentwürfe nach Maßgabe ästhetischer Erfahrung (Carl Einstein) sowie die Verteidigung der ›Gesellschaft‹ des frühen Helmuth Plessner und Ortega y Gassets kulturkritisches Räsonnement. Der Aufweis von Walter Benjamins Transformation Simmelscher Denkfiguren und Gegenstände (Choc, Mode, Allegorie) sowie Adornos Umkreisungen ästhetischer Metaphysik leiten über zur Rekonstruktion von Siegfried Kracauers Simmel-Deutung als symptomatisch für den neuen, mit der Klassischen Moderne zeitgleichen philosophischen Radikalismus – doch erst Ginster zeichnet als ›Aufstand der Sachen‹ eine aus Simmels Sicht vollständig verkehrte Welt.