Zwischen den Lacken
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Nun ist es auch schon wieder über zwanzig Jahre her, dass ich meine ersten „Wirtshaus-Gschichtln“ für unser Dorfwirtshaus Zentral in Illmitz herausgegeben habe. In durchaus annehmbaren Heftchen habe ich dreimal im Jahr zu den Saisonen über unser Dorf und unsere Gegend geschrieben. Wissenswertes, Historisches, Amüsantes, Mundart, Brauchtum und Lebensart standen im Vordergrund. Die Illmitzer trafen sich an lauen Abenden auf einem Bankerl vor dem Haus, gingen des Öfteren nach der Arbeit „in die Feier“, kamen bei gemeinsamen Arbeiten wie dem „Kukuruzliasch“ oder „Federnschleißn“ zusammen und hatten und haben auch keine Hemmungen, auf dem Friedhof ausgiebig zu tratschen und sich Geschichten zu erzählen. Natürlich kamen mir als Gastwirt viele davon zu Ohren. Es wäre schade, würden dieselben nicht weitertradiert. Wie Winter in den frühen 60er Jahren waren auch schöner als heute. Ich weiß noch von viele mehr Schnee, klirrend kalten, aber oft auch sonnigen Wintertagen, den mannshohen Schneewächten am Ortsrand und dem vom Rauhreif silbrig glänzenden Schilf rund um die herrlich glatt zugefrorenen Lacken. In solchen Wintern traf man sich gerne auch in unserem Wirtshaus, in der wohlig warmen Gaststube. Hier wurde nicht nur Karten oder Schach gespielt und getrunken, sondern vor allem Neuigkeiten ausgetauscht, die das Dorfleben, aber auch die große Politik oder gar das Weltgeschehen betrafen. Alles wurde erörtert, für gut befunden oder verworfen, von vielen, oft schrulligen Blickwinkeln aus betrachtet und in einem, so manchem damaligen Dorfmenschen eigenen, eingeengten Gedankenhorizont interpretiert. Erfahrung, Bauerschläue und Lebensweisheiten der verbalen Akteure trafen aber meist den Kern der Sache. Nicht nur Gegenwart und absehbare oder fernere Zukunft waren die Themen im Wirtshaus, sondern natürlich auch die alten Geschichten rund ums Dorf, Erzählungen von den beiden Weltkriegen, Erlebnisse in der Fremde, von Auswanderern und Heimkehrern und auch von uralten immer wieder erzählten Begebenheiten, die bis in die „Franzosenzeit“, die Türkenkriege oder die Zeit der Gegenreformation zurückreichen. Mich haben diese Dispute, diese Geschichten und Erzählungen der Männer schon als kleinen Buben im zarten Volksschulalter fasziniert. Ich war des Öfteren nicht wegzubringen von der Seite meines Großvaters, der als Wirt, als angesehener und kompetenter Fachmann in vielen Fragen, als messerscharfer Analytiker, oft als beißender Zyniker und nicht zuletzt als humorvoller und witziger Geschichtenerzähler am Stammtisch residierte. Gleichsam als Aufmunterung zum Zuhören und versteckte Freude ob meiner ungehemmten Wissbegierde ist mir eine lauthals vorgetragene Aufforderung meines Großvaters an einen jungen Burschen, der einmal interessiert lauschend an der Schank lehnte, in Erinnerung. Der Großvater wusste, dass der junge Mann gerade die Bauerschule besuchte und sagte: „Komm herüber zu unserem Tisch, Anton! Hier kannst du die Matura machen!“ Immer bemüht, auch wissenschaftliche Abhandlungen über Geschichte und Mundart einzubringen, entwickelten sich meine „Wirtshaus-Geschichtln“ immer mehr. Der Ruf von Gästen und Einheimischen nach einer gebundenen Gesamtversion wurde immer lauter. Nicht zuletzt die Tatsache, dass unser Illmitz vor 800 Jahren das erste Mal urkundlich erwähnt wurde gab den Ausschlag, die im letzten Jahr enorm erweiterten Dorfgeschichten heuer in Buchform herauszubringen.