Russlands Kapitalismus
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Am 24. Februar 2022 begann die Invasion russischer Truppen in die Ukraine, gefolgt von zunehmender Härte und Zerstörung. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Beim »System Putin« handelt es sich um eine Autokratie, die sich auf eine rohstoffbasierte Wirtschaft und auf die Macht der repressiven Staatsdienste stützt. Ein Großteil der russischen Bevölkerung akzeptiert dieses Gesellschafts- und Regierungssystem. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 beschloss die Regierung von Boris Jelzin, die Preisbindung fast aller Waren aufzuheben – der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Mit der Nachfolge durch Putin wurden die politischen Machtverhältnisse neu geordnet, der Prozess der Überwindung der sowjetischen Planökonomie hin zum Kapitalismus lief weiter. Die Russen erinnern sich an Putins erste Amtszeit als erfolgreiche Jahre, der mit einer »echten Überwindung des Kommunismus« in den Nachfolgestaaten der SU die große Katastrophe des 20. Jahrhunderts beenden wollte. Von einer sich zunächst nur verschärfenden Ungleichzeitigkeit driftet das russische Regime in eine reine Retropolitik mit tödlichen Zielen ab. Die Repression erreicht mit dem Krieg in der Ukraine ein neues Ausmaß. Waren zu Beginn der 2010er-Jahre noch große Demonstrationen möglich, wurde die Drohkulisse des Machtapparats unter Putin effizient: Einschüchterung, Angst, das Gefühl, an Leib und Leben bedroht zu sein, wegen Petitessen den Job, die Existenz zu riskieren, setzen sich fest. Wirkungsvoller Widerstand wird unter diesen Repressalien unmöglich. Es gibt nur noch rudimentäre Ansätze einer Zivilgesellschaft.