Traditio obligat – Variatio delectat
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Das Buch behandelt Kernfragen altägyptischer Textüberlieferung. Die Mehrzahl dieser Fragen sind leicht gestellt, aber schwer zu beantworten, und so hat der Umgang damit bereits unterschiedliche Ansätze hervorgebracht. Eher noch unbeansprucht war bislang der von Andreas Henning Pries konsequent verfolgte Ansatz, die Dynamik sich stetig verändernder Überlieferungen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Diese Dynamik offenbart sich in der konkreten Interaktion der Tradierenden mit dem überkommenen Textgut. Dabei werden nicht nur die komplexen Wechselbeziehungen zwischen den individuellen Fähigkeiten und Vorprägungen der überliefernden Schreiber, sondern auch zwischen den Texten selbst und ihrem Umfeld sowie Aspekte von Performanz und Oralität berücksichtigt. Ziel der rezeptionsdynamischen Analysen ist es, nicht den besten oder ältesten Text zu rekonstruieren, sondern zu zeigen, was philologisch erreicht werden kann, wenn man den traditionsgeschichtlichen Stellenwert von Varianten berücksichtigt und welche Bedeutung das für den Umgang mit altägyptischen Texten generell hat. Durch die Festlegung auf die „Traditionsliteratur“, welche Pries als gemeinsames Quellen-Corpus von religiöser und/oder kultischer und wissensbezogener Literatur sowie literarischen Texten (besonders Erzählungen, Klagen und Lehren) definiert, wird das für die Ägyptologie nun erstmals in dieser breit angelegten Studie untersucht. Das Buch bietet außerdem umfangreiche Kapitel zur Einordnung und zum Selbstverständnis der an der Textüberlieferung beteiligten Akteure, zur lokalen Bindung von Traditionsdynamiken, zu ihrer Beeinflussung durch das Medium der Schrift und der Materialität der Textträger oder Parameter wie Intertextualität, Interferenz und Kommentar u. v. a. m.