Naturrecht und Geschichte
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Strauss᾿ Buch – die deutsche Übersetzung erschien zuerst 1956 – ist zunächst an der historischen Rekonstruktion naturrechtlichen Denkens interessiert; es beschäftigt sich mit dem klassischen und modernen Naturrecht (Hobbes, Locke, Rousseau) ebenso wie mit der Staatsphilosophie Edmund Burkes, eines der Väter des modernen politischen Konservativismus; insofern ist es auf den ersten Blick alles andere als aktuell. Schaut man freilich genauer hin, so stellt man fest, worin seine – zumindest potentielle – Aktualität für die gegenwärtige politische und rechtsphilosophische Diskussion liegt: nämlich in der Rehabilitation eines Denkens, welches das jeweils herrschende positive Recht nicht als »letztes« und »gültiges« Recht zu akzeptieren bereit ist. Strauss geht es um die Gewinnung eines Maßstabs, »der uns erlaubt, über positives Recht zu urteilen«, um einen Maßstab also, der jenseits der Immanenz dessen liegt, was das je herrschende Recht als »rechtens« definiert. Der Bemühung um einen solchen Maßstab liegt die Überzeugung zugrunde, »daß es etwas im Menschen gibt, was seiner Gesellschaft nicht gänzlich versklavt ist« (Strauss), was die kompakte Positivität des Hier und Jetzt transzendiert. In seiner der deutschen Ausgabe von 1956 beigegebenen Einleitung schrieb Gerhard Leibholz, »die restaurativen Kräfte, die in zunehmendem Maß heute wieder ihre Stimme erheben«, setzten alles daran, naturrechtliches Denken – das ja die großen bürgerlichen Revolutionsbewegungen maßgeblich inspiriert hat – in Mißkredit zu bringen. Dies liest sich nach zwanzig Jahren, angesichts des erneuten massiven Versuchs der Restauration, Positionen der Aufklärung zu kassieren, außerordentlich aktuell.