Drahtseilakt

Organisationen haben ein großes Beharrungsvermögen und ändern sich nur unter externem Zwang. Bei Verbänden ohne Erwerbsziele und mit freiwilliger Mitgliedschaft, den sogenannten 'non-profits', ist eine Bedrohung des Mitgliederbestandes ein Alarmzeichen, das die Veränderungsbereitschaft fördert. Die Industriegewerkschaft Metall hatte Mitte der achtziger Jahre diesen Punkt erreicht: Eine vorausschauende Gewerkschaftsspitze erkannte, daß der traditionellen Arbeitergewerkschaft allmählich die Mitgliedschaftsbasis wegbrach und die Angestellten die Zielgruppe der Zukunft sein mußten. Mit einer in der Öffentlichkeit vielbeachteten Angestellteninitiative wurde versucht, die Organisation auf diese neue Mitgliedergruppe einzustimmen und die Gewerkschaft durch Organiationsreform attraktiver und effizienter zu machen. Gleichzeitig wurde mit betrieblichen Experimenten um die Angestellten geworben. Die Untersuchung zeichnet diesen 'Drahtseilakt' der Organisationsreform und Mitgliederwerbung auf der Basis interner Papiere und Interviews mit den Beteiligten nach. Das Ergebnis sind verallgemeinerbare Aussagen über die Voraussetzungen von Organisationswandel und Mitgliederwerbung bei Gewerkschaften und anderen Verbänden.