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Der Widerruf im Arbeitsrecht

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Das Thema der Untersuchung ist eigentlich nicht neu. Generationen von Juristen haben sich mit ihm auseinandergesetzt. Auf den ersten Blick hat sich der arbeitsrechtliche Widerruf als Änderungsinstrument etabliert; er kann sich auf eine gefestigte Rechtsprechung, allerdings auf keine gesetzliche Grundlage stützen. Eine Untersuchung also zu einem alten Problem? Im Jahr 1986 hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Entscheidung zur sogenannten »ablösenden Betriebsvereinbarung« gefällt, die ein seit Jahrzehnten bestehendes System zur Änderung von Sozialleistungen und Versorgungsordnungen des Unternehmens sprengt: Während sich ein Arbeitgeber bis zu diesem Zeitpunkt darauf verlassen konnte, betriebseinheitliche Individualvereinbarungen im Wege einer Betriebsvereinbarung auch zu Lasten einzelner Arbeitnehmer und unter Absenkung des Dotationsrahmens zu beseitigen, versperrt der »kollektive Günstigkeitsvergleich« nun den Weg zu einer betriebseinheitlichen Absenkung des Dotationsrahmens. Der Widerruf, der bislang (auch aus steuerrechtlichen Gründen) nie richtig als Änderungsinstrument ins Kalkül gezogen wurde, erhält damit einen vollkommen neuen Stellenwert. Jetzt aber rächt es sich, daß man es in Rechtsprechung und Literatur bislang unterlassen hat, ein System der arbeitsrechtlichen Änderungsinstrumente zu entwickeln, sondern oftmals nur Lösungen für bestimmte Fallgruppen unter Berufung auf deren Besonderheiten geschaffen hat. Ziel der Arbeit ist es daher, den Widerruf in einem solchen zweifellos vorhandenen System zu untersuchen. Dabei wird deutlich, daß eine große Trennlinie zwischen dem vorbehaltenen und dem vorbehaltlosen Widerruf zu ziehen ist, eine andere zwischen zukünftigen Änderungen einer Zusage und solchen, die rückwirkend in eine bereits erbrachte Vorleistung des Arbeitnehmers eingreifen, wie dies bei der betrieblichen Altersversorgung der Fall ist. Während der vorbehaltene Widerruf sich als Problem der arbeitsrechtlichen Inhaltskontrolle erweist, muß sich der vorbehaltlose Widerruf mit konkurrierenden Änderungsinstrumenten wie der Änderungs-, der Teilkündigung und der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage auseinandersetzen. Für den Sonderfall der betrieblichen Altersversorgung muß die Frage nach der rechtlichen Einordnung der Vorleistung des Arbeitnehmers beantwortet werden. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist - gerade für die Praxis - unbequem: Der vorbehaltlose Widerruf hat im Arbeitsrecht keine dogmatische Berechtigung. Gerade die Geschäftsgrundlagenlehre kann nicht als Rechtsgrundlage für den Eingriff in die Vertragsbindung herangezogen werden. Sie scheitert am Vorrang der arbeitsrechtlichen Risikoverteilung und an der Tatsache, daß auch die Geschäftsgrundlagenlehre eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit nicht berücksichtigt, wenn es um eine reine Geldschuld geht. Das bedeutet jedoch nicht, daß dem Arbeitgeber die individualrechtliche Kürzung von Sonderleistungen generell verwehrt ist. Das geltende Recht bietet Möglichkeiten im Rahmen der Änderungskündigung und der vorbehaltenen Vertragsänderung. Diese Wege aufzuzeigen ist die zweite große Aufgabenstellung der Arbeit, um Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Konzept für die Regelung von Sozialleistungen in die Hand zu geben, das ohne einen Griff in die »juristische Trickkiste« Bestandsschutz- und Flexibilisierungsinteressen zum Ausgleich bringt.

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1998

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