Märchenanalyse
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Die Metamorphosen der Märchen beschäftigen sich mit den verschiedenen Sorten von Verwandlungen, die Wirkungseinheiten organisieren können. Als „typische“ Verwandlungssorten treten dabei in den Blick: Bestimmen, Tauschen und Täuschen, Aufs-Ganze-Gehen, Teilen und Zerstören, Revoltieren — das wird jedoch im weiteren noch genauer dargestellt. Denn die Märchen arbeiten die typischen Verwandlungssorten in einer Reihe paradoxer Wendungen heraus. Dazu gehört einmal, dass mit dem Bestimmen, Austauschen, Ganz-Machen, Teilen keine einfache und eindeutige Richtung vorgegeben ist. Wenn eine (typische) Verwandlungssorte unser Tun und Leiden bewegt, ist es zunächst einmal egal, ob wir sie aktiv betreiben, erleiden, bei anderen erfahren; ob wir sie nur von ihrem Gegenteil oder von Widerständen her mitbewegen. Es geht immer um den Wirkungskreis von seltsamen und schrägen Gegensatzeinheiten. Das entspricht der Wirkung uns anziehender oder (zugleich) abstoßender Bilder der Wirklichkeit, die im Kontext der Alltags- und Lebensprozesse für uns in vielgestaltiger und widersprüchlicher Weise bedeutsam werden kann. Das Wegfliegen oder Niederfallen der Feder kann Symbol für verschiedene Wirkungszusammenhänge werden; das Bild des immer schärfer werdenden Blicks oder der künstlichen (Augen-)Gläser kann sich in erschreckenden, bedrohlichen, dämonischen oder auch in hilfreichen, erkenntnisvollen, Einsicht und Zusammenhang fördernden Entwicklungen ausgestalten. An den Ausgestaltungsprozessen greift das Märchen ein weiteres Paradox auf: Verwandlungen können ihre Eigenart nur dadurch gewinnen, dass sie ihre „Offenheit“ in Gestalten binden, die dadurch ein (typisches) Getriebe mit entsprechenden Wirkungs-Verhältnissen, Chancen und Begrenzungen festlegen. Das spielt bei allen Märchenanalysen eine große Rolle; es charakterisiert genauer, was es mit den Verwandlungs-Sorten von Fall zu Fall auf sich hat.