Antisemitismus in der Region

Dem Entstehen des „modernen“ Antisemitismus in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat die Forschung seit jeher besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Verfasser bietet einen umfassenden Überblick über die vielfältigen antisemitischen Erscheinungsformen zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs am Beispiel ausgewählter Regionen. Als Untersuchungsgebiete wurden mit dem Königreich Sachsen, der preußischen Provinz Hessen-Nassau, dem Großherzogtum Hessen und dem Herzogtum Braunschweig Regionen gewählt, in denen – gemessen am Reichsdurchschnitt – Organisationen mit antisemitischem Charakter eine besondere Rolle spielten. Während in Sachsen und Braunschweig, beide durch die frühe Dominanz des Industriesektors und eine starke Sozialdemokratie geprägt, die antisemitische Agitation vor allem auf die Gewinnung des gewerblichen Mittelstands abzielte, handelte es sich in Hessen-Nassau und Hessen um stärker landwirtschaftlich geprägte Regionen, in denen sich die antisemitische Agitation besonders auf den ländlich-bäuerlichen Mittelstand konzentrierte. Nachdem der Verfasser einleitend das Problem des „modernen“ Antisemitismus sowie die wirtschaftliche und soziale Struktur der Untersuchungsgebiete behandelt hat, analysiert er im Hauptteil der Arbeit die antisemitischen Erscheinungsformen in Staat und Verwaltung, Kirche und Gesellschaft sowie insbesondere in Parteien, Vereinen und Verbänden unterschiedlichster Couleur. Die vom Autor ermittelte Bandbreite antisemitischer Erscheinungsformen reicht von der bewussten oder unbewussten Verinnerlichung antijüdischer Stereotype über gesellschaftliche Distanzierung, Ausgrenzung und staatliche Diskriminierung bis zum Auftreten rassenantisemitischer Parteien und völkischantisemitischer Gruppierungen. Die umfassende, klar gegliederte Darstellung bietet nicht nur viele neue Aspekte zur Geschichte des Antisemitismus in den ausgewählten Regionen und auf Reichsebene, sondern neben einem statistischen Anhang auch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein ausführliches Personen- und Ortsregister.