Curiositas
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Der Begriff der »curiositas«, der Neugierde, umfaßt ein ganzes Spektrum menschlicher Wissensansprüche, Erkenntnisinteressen und Erfahrungsbedürfnisse. Bereits seit der Antike wird er im Horizont sehr unterschiedlicher Wertbesetzungen ausgelegt und konzeptualisiert. Deutet ihn Augustinus in dogmatischer Perspektive als sinnenhafte Selbstentäußerung des Menschen und belegt ihn mit dem Verdikt der Weltverfallenheit und Augenlust (»concupiscentia oculorum«), so setzt bei Thomas von Aquin wie auch im spätmittelalterlichen Nominalismus ein Prozeß der facettenreichen Entschärfung, Verschiebung und Umbesetzung ein. In der frühen Neuzeit wird die curiositas zu einem regelrechten Leitbegriff für eine selbstbestimmte Emanzipation des Menschen aus theologisch fundierten Denk- und Lebensordnungen. Wie die jüngere kulturwissenschaftliche Forschung zeigt, ist dieser Wandel keineswegs als eine lineare oder gar teleologisch bestimmte Entwicklung zu verstehen. Vielmehr steht der Prozeß der Umbesetzung des curiositas-Begriffes im Zeichen einer gestiegenen Geltung der Wissenschaften wie der Künste. Er bezieht sich auf die Anerkenntnis der Natürlichkeit des menschlichen Wissensdranges im Zuge der aufkommenden Naturphilosophie, auf eine neue Dignität ästhetischer Erfahrungsweisen und auf jenes kognitive Potential, das den Formen poetisch-artistischer Sinnstiftung in der Frühen Neuzeit in verstärktem Maße zuwächst. Mit Beiträgen von: Jeffrey F. Hamburger, Christian Kiening, Niklaus Largier und Lorraine Daston Inhaltsverzeichnis: Klaus Krüger: Einleitung Jeffrey F. Hamburger: Idol Curiosity Christian Kiening: Ordnung der Fremde. Brasilien und die theoretische Neugierde im 16. Jahrhundert Niklaus Largier: Rhetorik der Erfahrung. Kynische Kritik und theoretische Neugierde in der Frühen Neuzeit Lorraine Daston: Die Lust an der Neugier in der frühneuzeitlichen Wissenschaft