Die Neustrukturierung des deutschen Rüstungsmarktes als industriepolitische Aufgabe
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Die rüstungsindustrielle und -technologische Basis eines Landes hat nicht nur eine verteidigungs- und sicherheitspolitische Funktion. Sie ist auch Voraussetzung für Mitsprache und Einfluss nicht nur bei der anstehenden Neustrukturierung der europäischen Rüstungsindustrie und der Entwicklung strategischer Technologien, sondern darüber hinaus auch bei der politischen Neugestaltung Europas, z. B. bei der Entwicklung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Deutschland kann an diesen Entwicklungen nur gestaltend teilnehmen, wenn es über eigene rüstungstechnologische Fähigkeiten verfügt, die es in europäische Kooperationsprogramme einbringen kann. Deshalb sollte auch die Bundesregierung die Rüstungsindustrie als strategische Branche und Instrument der Außenpolitik begreifen und durch eine aktive Industriepolitik unterstützen. Wehrtechnische Industriepolitik im Sinne einer zukunftsfähigen Weichenstellung bedeutet vor allem, die Rahmenbedingungen für die gewünschte industrielle Produktion, die technologischen Kernkompetenzen und den weltweiten Vertrieb aktiv zu gestalten. Dazu bedarf es allerdings auch geeigneter Institutionen, die konzeptionell vorausdenken und die strategischen Interessen Deutschlands in diesem Prozess definieren und Konzepte zu ihrer Umsetzung zu entwickeln. Industriepolitik ist Interessenpolitik; deshalb wäre das offene Bekenntnis zu einer interessegeleiteten deutschen Politik notwendig. Beantwortet werden muss die bisher von der deutschen Politik vernachlässigte zentrale Frage, die Bundespräsident Horst Köhler in seiner ersten Rede im Reichstag gestellt hat: „Was will Deutschland im 21. Jahrhundert sein? Was kann es sein? Und wo will dieses Land hin?“ Staatliche Industriepolitik, die in Deutschland häufig mit dirigistischen, planwirtschaftlichen Staatseingriffen verwechselt wird, sollte vor diesem Hintergrund neu bewertet werden. Gerade weil nicht alle Staaten fairen Wettbewerb betreiben sondern häufig nationalegoistische Ziele verfolgen, sollte die Bundesregierung u. a. darauf achten, dass wichtige Konzernzentralen im Land verbleiben. Die inzwischen erfolgte Änderung des § 7 AWG, wonach die Bundesregierung einem Verkauf strategisch bedeutsamer Unternehmen an ausländische Investoren zustimmen muss, bietet eine Grundlage, die es jedoch auch zu nutzen gilt.