Die Nägel
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Die beiden Findelkinder Gloster und Bachatow, der eine seines riesigen Buckels wegen von einem literaturbeflissenen Arzt „Gloster“ genannt – (Gloster: König Eduard IV. jüngerer Bruder, der bucklige Herzog von Gloster, der alle Konkurrenten beiseite räumt und später als Richard III. den englischen Thron besteigt (Shakespeare: Richard III.) –, der andere wegen des in seinen Windeln entdeckten Stempels „B. Ch. T.“ Bachatow getauft und aufgrund seines verbeulten Kopfes für debil erklärt, wachsen in einem Internat für geistesschwache Kinder auf. Es sind nicht die Insassen, von denen sie Häme, Mitleidlosigkeit und Brutalität erleben und selbst erlernen, sondern die Pfleger und die Heimleitung. Gloster spielt aus Selbstschutz den ewig lachenden Dümmling, Bachatow überlebt dank seines Nägelknabberns, aus dem er ein mystisches Ritual macht. Schon bald entdeckt Gloster, dass sein Buckel ein feinnerviges Gefäß für Töne und Klänge ist und ihn zu grandiosem Klavierspiel animiert. Als Gloster und Bachatow achtzehn werden, schickt man sie auf die Berufsschule in die Stadt. Doch Glosters Buckel treibt ihn zur Eignungsprüfung an ein Konservatorium. Öffentliche Auftritte, Berühmtheit und Geld folgen – und immer neue Mütter, die sich des verlorenen Sohnes erinnern. Bei dem entscheidenden Wettbewerb in Italien verstummt der domestiziert geglaubte „Musikant des Buckels“ jedoch urplötzlich. Gloster erfährt, dass Bachatow im Koma liegt. Er soll einen Menschen grausam getötet haben, weil dieser sein Zauberritual der abgekauten Nägel störte. Als Gloster eintrifft, ist der Freund bereits tot. Gloster übernimmt für ihn die Vollendung des Rituals. Er gerät selbst in die Gewalt der darin verborgenen dämonischen Mächte und macht sich auf der Suche nach dem Ursprung seines Weges in die Welt, dem Internat. Dort waren die Heiminsassen immer zu zweit gestorben. Das Umreißen der „Fabel“ vermag auch nicht annähernd die ungemein suggestive Wirkung zu erklären, die von Jelisarows Text ausgeht. Darin verwebt sich genauestes Beobachten der Realität (die auch der Leser mit den Augen der beiden Freunde für sich als neu und überraschend entdeckt) auf wundersame Weise mit schwärzester Phantasie und surrealistischer Überhöhung: Das Wirkliche gewinnt viele doppelte Böden und das Bedrohliche löst sich durch Skurrilität und Witz in eine Art Wohlgefallen am Absurden auf.