Eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz
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„Im Anfang war das Wort“ – der Logos, der menschgewordene Gott. Danach kamen die Wörter, ein Wortfluss bis zum Überdruss. Das Wort, das im Anfang war, ist in zwei Jahrtausenden Kirchen-geschichte so oft und so ausgiebig verkündet, ausgelegt, interpretiert, verfremdet, in Frage gestellt, ins Dogmatische gezwungen worden, dass die zeitgenössische (allerdings nur bei einer Minderheit sich findende) Sehnsucht nach dem Schweigekloster nur zu verständlich ist. Einfach mal den Mund halten, kommt einem immerzu in den Sinn. Warum diese herrlichen Sprachbilder, diese Gleichnisse und Aphorismen zur Lebensweisheit, wie sie sich zuhauf in der Bibel finden, mit dem eigenen Wortmüll zustellen, ein Gleichnis, das für sich selber spricht und zum Schweigen und Nachdenken bringt, wenn man es denn zulassen kann, warum ein Gleichnis mit den schiefen, schwafeligen eigenen Bildern und Metaphern planieren und zuwalzen? Einfach mal den Mund halten! Oder sie auf andere Weise zum Sprechen bringen: mit kurzen, einpräg-samen Worten, in einem knappen, verdichteten Text, so komprimiert, dass man zuhören, lauschen, wach sein muss, um zu verstehen – oder doch zu verstehen beginnen –, was gesagt sein will. In Sprachbildern, die in der Welt der Bibel verwurzelt sind und diese Verwurzelung im heutigen Sprachspiel mitklingen lassen, und doch nicht antikisierend oder antiquarisch, dass der Leser sich in einer „Welt von gestern“ wiederfindet, in einem Museum also, in dem man sich mit dem Kennerblick des Historikers, aber innerlich unbeteiligt, umtun kann, um dann unbehelligt ins wahre Leben zurückkehren zu können. Es ist nicht leicht, dem (allzu) oft Gehörten das Unerhörte noch abzulauschen und es hörbar zu machen. Dazu braucht es ein immenses Sprachgefühl, eine innige Vertrautheit mit den Texten der Heiligen Schrift – und einen lebendigen Glauben, der die Realitätsprüfung in den vielfältigen Lebenserfahrungen, in guten wie in bösen Tagen, trotz allem bestanden hat, vielleicht dadurch sogar gestärkt wurde. Sprachgefühl, Vertrautheit mit der Heiligen Schrift, lebendiger Glaube: All das findet sich in diesem Begleiter durch das Kirchenjahr von Bruno Pockrandt. Seine „Vorbilder“ für diese Art von spirituellem Proviant für ein Jahr Lebensreise verleugnen die Texte nicht: Kurt Marti etwa, Wilhelm Willms, Lothar Zenetti, und – ja, auch der: Hanns Dieter Hüsch. Doch zugleich sind sie in Form und Inhalt unverwechselbar Bruno Pockrandt. Sie sind auf seinem Mist gewachsen. Nährreiche Früchte für den Tag. Die Tage, Wochen und Monate im Kirchenjahr.