Purim: Tage der Entscheidung
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Zur Entstehungsgeschichte des Buches: „Ich arbeitete bereits 1 ½ Jahre an künstlerischen Fotografiekompositionen zum Pentateuch (seit 10/2014 ausgestellt in Köln und verschiedenen anderen Orten), als mir zu Purim 2014 wieder stärker die biblische Geschichte von Esther (aus dem Buch Esther) in den Sinn kam und mich anregte. Normalerweise vergeht zwischen einer Idee und deren zumindest ersten Umsetzung nur eine sehr kurze Zeit bei mir, aber diesmal war das anders: Außer ein paar sehr kleinen Skizzen – mehr Rahmen für Skizzen als Skizzen – entstand nichts. Zwei Monate grübelte ich über eine gute Umsetzung der Geschichte -sowohl, wie ich sie am besten erzählen als auch grafisch umsetzen könnte. Ich wollte die Fotografien anders anlegen als im Pentateuch-Projekt, und ich merkte bald, dass ich nicht nur Esthers Geschichte in ihrer Zeit erzählen wollte, sondern auch, was diese Geschichte heute für uns bedeuten kann. Wie sonst auch, traf ich mich in dieser Zeit mit der Familie jeden Freitagabend, und eine von uns stand auf und zündete die Schabbatkerzen an. Für mich ist dies immer ein Moment großer Dankbarkeit: Für unsere Kinder, für unsere Familie. Es ist auch ein Moment der Versöhnung, denn an unserem Tisch sitzen Juden und Christen. Ich erkannte, wie ich diese Geschichte erzählen wollte. Aus diesem Moment der versöhnlichen Stille entstand der Rhythmus meiner Erzählung in zwei parallelen Strängen: Ich erzählte die Geschichte von Esther, und parallel die Geschichte von Eva Moses Cor, einer meiner Heldinnen, die als „Mengele-Zwilling“ Ausschwitz überlebte, und sich später intensiv für die Versöhnung – und eine versöhnliche Erinnerungskultur – einsetzte. Für mich war dann auch schnell klar, wie ich grafisch arbeiten wollte. Seit Jahren experimentiere ich mit Plastilin-Figuren, kleinen Figuren aus Knete, die ich stets aus einem Block forme. Sie haben Charme, auch wenn sie gesichtslos sind. Ich illustrierte beide Stränge der Erzählung mit den gleichen Motiven und Figuren: Esther und Eva als rote Figuren, der Rest der Figuren weiß, auch um zu zeigen, dass aus Helfern manchmal Schlächter werden, aus Schlächtern Helfer, während für mich die Leistungen von Esther und Eva sehr individuelle sind. Ich verzichtete auf Requisiten. Die Dramatik zwischen den Figuren entstand aus ihrer Distanz und Ausrichtung untereinander, wie es bei Familienaufstellungen geschieht. Mein Vater war Psychoanalytiker, und er hatte früher jede Menge solcher Arrangements auf Regalen, Ablagen, und sogar an Decken, indem er Fabelwesen aus Holz in bestimmten Abständen und Ausrichtungen an die Decke hing. Gruppen werden zu mindestens vorübergehenden Familien, und ihre Dynamiken oft entscheidend für das psychische, teilweise auch physische Überleben. Damit waren meine narrativen wie grafischen Konzepte hinreichend gereift. Innerhalb zweiter intensiver Tage entstand dann das Buch. Natürlich gab ich es, bevor ich es anbot, verschiedenen Vertrauten zu lesen, gerade jüdischen Freunden. Ich wollte sicher gehen, dass sie die Art der Erzählung nicht verletzte oder brüskierte.“