Die Herrin von Ibichstein
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Die Herrin von Ibichstein (1878) ist ein heute vergessener Roman, seine Verfasserin Friederike Henkel (1826–1910) nahezu unbekannt. Im 19. Jahrhundert war der Roman jedoch sehr erfolgreich, erlebte mehrere Auflagen und zwei in New York publizierte Übersetzungen. Warum lohnt sich eine Wiederentdeckung? Die Herrin von Ibichstein ist die Geschichte einer eigenwilligen Frau, die in der noch höfisch geprägten Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ihren Weg sucht und findet. Es ist spannend und vergnüglich, das komplizierte Leben der stolzen Esther von Tossen zwischen verarmtem Provinzadel und höfischer Residenzpracht zu verfolgen. Sie will unabhängig sein und erkennt im engen Rahmen gesellschaftlicher Konventionen drei Mittel zur Erreichung dieses Ziels: ein Mann sein, reich sein, sich nie verlieben. Natürlich wird sie scheitern – und genau dadurch ihr Ziel erreichen. Im Zentrum des Romans steht eine fiktive Residenzstadt, für die Kassel Modell gestanden haben könnte. Als Tochter eines Hofmalers und Ehefrau eines Hoflehrers und Diplomaten, die fast 40 Jahre hier lebte, kannte Friederike Henkel das höfische Treiben sehr gut und erlebte den letzten hessischen Kurfürsten aus nächster Nähe. Die Herrin von Ibichstein ist das literarische Gemälde einer vergnügungssüchtigen, selbstbezogenen Adelsgesellschaft, die sich mit Liebeleien und Schlittenpartien, Bällen und Porträtsitzungen, Teegesellschaften und Jagd die Zeit vertreibt. Trotzdem bietet der Roman keine Schwarz-Weiß-Malerei wie mancher aufklärerische Roman des 18. Jahrhunderts, der dem lasterhaften Hof das natürliche Landleben entgegensetzt.