Auswege, Irrwege, Abwege
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In Wolfdietrich Josts Erzählungen findet man die unterschiedlichsten Protagonisten, unter anderem einen angesichts seines Betriebsjubiläums verunsicherten Angestellten, einen jungen Mann auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, einen Ich-Erzähler, in dessen Familie sich der Tod eingeladen hat, einen verletzten Hasen, der sich zu früh über seine Rettung freut. Aber dennoch eint diese vordergründig so verschiedenen Geschichten etwas: Immer wieder geht es um das Miteinander, um Verantwortung jedes Einzelnen für den anderen – und auch für sich selbst! – angesichts großer Orientierungslosigkeit und Anonymität innerhalb einer immer stärker digitalisierten, »entmenschlichten« Welt. Da wird das Gegenüber zur Nummer, zum namenlosen oder austauschbaren Objekt, das nicht mehr mit seinen Gefühlen als Mensch wahrgenommen, sondern dem eigenen Profitdenken, dem »Gebrauchswert« untergeordnet wird. Jost legt den Finger in die Wunden unserer Zeit und beschreibt mit scharfem Blick einen erschreckenden Werteverlust. Selbst Gott wird als »Cybergod« zum Verkaufsschlager, ein Kreuzfahrtreisender beklagt sich in menschenverachtender Weise über entgangene Ferienfreuden angesichts des Anblicks der Menschen, die durch den Hurrikan Sandy alles verloren haben. Zwar wird die Welt immer kleiner, aber die Menschen in ihr rücken immer weiter auseinander. So wird ein Wissenschaftler bemüht, um ins Innere des »gläsernen Menschen« schauen zu können, weil wir den realen Blick auf den anderen verloren haben und auch die Familie des Ich – Erzählers in »Harro Hutmacher« nimmt einander trotz räumlicher Nähe nicht wirklich wahr und verharrt in erschreckender Kommunikationslosigkeit. Josts Erzählungen ziehen den Leser auch sprachlich schnell in ihren Bann, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er uns damit einen Spiegel vorhält.