Wissenschaft als nationaler Beruf
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Bei der Suche nach den Ursachen für den gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens nach 1990 wird für gewöhnlich Intellektuellen eine besondere Rolle in der Mobilmachung für Krieg und Gewalt zugesprochen. Auch die Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste rückt dabei ins Blickfeld: Die Aktivitäten ihrer Mitglieder in den 1980er Jahren gelten als einer der Ausgangspunkte für die nationale Homogenisierung der serbischen Gesellschaft. Oft wird hier jedoch eine allzu bruchlose Linie einer sich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart erstreckenden Kontinuität nationaler Ideologie gezogen. Die Mitglieder der Akademie, die zugleich in den 1980er Jahren prominente Verfechter einer Re-Nationalisierung gesellschaftlicher Diskurse waren, werden in dieser Sichtweise als Hüter und Erben nationaler Projekte betrachtet. Nenad Stefanovs Studie zur Serbischen Akademie der Wissenschaften fragt hingegen, wie sich im sozialistischen Jugoslawien die Vertreter der Bildungsschicht und damit auch ihre Konzepte von Nation und Gesellschaft verändert haben. Stefanov verfolgt dabei die Geschichte der Geisteswissenschaftlichen Abteilungen der Akademie und zeigt auf, wie in den Veränderungen der Begriffe, mit denen die Akademiemitglieder Nation und Gesellschaft definierten, die ambivalente Beziehung zwischen Wissenschaft und Nationalismus deutlich wird. Für ein besseres Verständnis der Krisendynamik und der Rolle der Intellektuellen im Jugoslawien der 1980er Jahre und danach wird hierbei der Frage nach den Formen von Anpassung und Dissens nicht-kommunistischer Intellektueller unter sozialistischer Herrschaft besondere Aufmerksamkeit geschenkt.