Moderation und Gesprächssteuerung für ein lokales Publikum
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Im Zuge einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft und der hiermit einhergehenden Individualisierung der Kommunikation werden mediale Angebote zusehends auf kleinere Rezipientenkreise zugeschnitten. In diesem Kontext wurde 1995 in Genf das Lokalfernsehen „Léman Bleu Télévision“ gegründet, das sich an die Bewohner der (Genfer) Region richtet und in dessen Programmgestaltung die Vermittlung der so genannten „notion de citoyenneté“ einen zentralen Wert darstellt. Anhand von Detailanalysen von Mediengesprächen wird in dieser Studie aufgezeigt, auf welche sprachlichen Mittel und gesprächsstrategischen Züge Moderatoren zurückgreifen, wenn es gilt, ein lokales Publikum zu adressieren, für das verschiedene Ebenen der Zugehörigkeit gelten (Gemeinde, Kanton, Sprachgemeinschaft, Bund). Das kommunikative Verhalten der Moderatoren umfasst die lokal perspektivierte Adressierung des Publikums und von Sendungsgästen, die Etablierung des Ortsbezugs im Gespräch und die Sicherung der Wissensbasis für die lokale Zielgruppe. Über die (Selbst-)Verortung der Moderatoren auf den Ebenen der Zugehörigkeit sowie die Artikulation geteilter Wissensbestände, Erinnerungen und Bewertungen im Gespräch wird ferner eine Vergemeinschaftung mit dem Publikum als dem intendierten Adressaten zum Ausdruck gebracht. Vergemeinschaftung bzw. Abgrenzung nach außen erfolgen auch über die Sprachwahl des „français régional“ und des (Schweizer-) Deutschen. Der Zielsetzung folgend, die „citoyenneté“ zu fördern, wird das Publikum schließlich zur Partizipation innerhalb und außerhalb der Kommunikationssituation aufgefordert. Die Analyse des Gesprächsverhaltens der Moderatoren mit Blick auf die raumbezogene Identität des lokalen Fernsehpublikums versteht sich als Fallstudie, in der es darum geht, sprachliche Strategien auf Produzentenseite und damit Wirkungspotenziale hermeneutisch zu ermitteln. Die Untersuchung basiert auf einem 15-stündigen Korpus, das aus sämtlichen transkribierten Ausgaben der Sendungen „Genève à Chaud“ (politische Debatte) und „Y a le feu au lac“ (Talk-Show) besteht, die zwischen dem 1. Februar und dem 7. März 2010, Datum von Volksabstimmungen auf Kantons- und Bundesebene, ausgestrahlt wurden. In der vorliegenden Arbeit wird primär eine sprachwissenschaftliche Perspektive eingenommen, allerdings werden auch Erkenntnisse historischer und soziokultureller Forschungen sowie Erkenntnisse der Sozialpsychologie mit einbezogen.