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Porträts

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Porträts: aus der Sammlung „Die Aufgabe des Porträtierens bringt etwas wie Dienstbarkeit mit sich, gegen die schöpferische Kraft sich sträubt“, schrieb der deutsche Kunsthistoriker Max J. Friedländer 1947 in seiner Essaysammlung Über die Landschaftsmalerei und andere Bildgattungen. Darin versuchte er, Grundsätzliches und Geschichtliches zur Bildnisdarstellung des Abendlandes aufzuzeigen. Seiner Ansicht nach gelang es im Laufe der Jahrhunderte nur wenigen Künstlern, auch beim Porträtieren eigenständig zu bleiben und nicht nur Abbilder, sondern auch Kunstwerke zu schaffen. In der Regel hätten sich die Künstler allzu sehr den Wünschen und Vorstellungen der Auftraggeber gefügt: Diese glaubten, ihre Erscheinung und Wirkung besser als der Maler zu kennen, und hielten sich daher auch für befugt, über die Leistung des Porträtisten zu urteilen, selbst wenn sie ansonst nicht sehr kunstsinnig waren. Im Gegensatz dazu hat Oscar Wilde in seinem 1890 erschienenen Roman The Picture of Dorian Gray die Freiheit des Künstlers betont, indem er Grays Freund und Porträtisten Basil Hallward sagen ließ: „Ein Porträt, mit Gefühl gemalt, ist immer ein Porträt des Künstlers, nicht des Modells.“ Ein guter Künstler bringe sich stets in das Porträt ein, nicht nur durch die Handschrift, sondern auch durch die Art, wie er den zu Porträtierenden sieht. Unter den Porträts, die in dieser Ausstellung gezeigt werden, finden sich nur wenige Auftragswerke. Bei einigen von ihnen wird man vielleicht an Friedländers Kritik denken, etwa bei den Bronzeköpfen des Kosmonauten Juri Gagarin und des Sammlerehepaars Peter und Irene Ludwig. Für die meisten anderen aber trifft eher Oscar Wildes Interpretation von einem „gefühlvollen Porträt“ zu: So waren Porträtaufträge für Künstler wie Oskar Kokoschka oder Max Oppenheimer für viele Jahre nicht nur eine ihrer wesentlichsten Einnahmequellen, sondern durchaus auch künstlerische Herausforderung. Auch Malcolm Morley malte Auftragporträts, wenn auch eher widerwillig. Heute sehen wir in seinem Porträt des Ehepaars Esses vor allem ein wichtiges Bild Morleys und nicht die relativ unbekannten Dargestellten. Der überwiegende Teil der präsentierten Porträts ist jedoch ohne Auftrag entstanden. Sie zeigen Verwandte, gute Freunde, allgemein bekannte Stars und Politiker, anonyme Personen oder die KünstlerInnen selbst. Der Bogen reicht vom repräsentativen, „offiziellen“ Porträt über ironische Darstellungen und Kryptoporträts, bei denen Dinge für die Personen stehen, bis zu Porträts, die erst in der Ausstellung gemacht werden. Die Auswahl der Werke folgt keiner vorgefassten Theorie, sondern ist bestimmt durch die Sammeltätigkeit des Museums seit seiner Gründung Anfang der Sechzigerjahre. Sehr selten wurde ein Werk deshalb in die Sammlung aufgenommen, weil es ein Porträt, und noch seltener, weil es ein Porträt einer bestimmten Person war. Auch der Ankauf der Sammlung Hahn oder die Auswahl der Leihgaben und Schenkungen des Ehepaars Ludwig erfolgten nicht unter dem Aspekt, dass es sich um „Porträts“ handelte. Sind viele der für diese Präsentation ausgewählten Werke alte Bekannte, so waren sie aber bisher in anderen Zusammenhängen präsent, etwa als Beispiele für österreichischen Expressionismus, Neue Sachlichkeit, Pop-Art, Nouveau Réalisme, Fotorealismus, Wiener Aktionismus oder andere Kunstströmungen. Andere waren schon lange nicht mehr zu sehen, und einige werden erstmals gezeigt. Die anders geartete Fragestellung brachte auch andere Antworten. Doch neben den kulturhistorischen Aspekten, die Einblicke etwa in das kulturelle und geistige Leben Wiens im letzten Jahrhundert, in die Geschichte des Hauses, den Umgang mit Stars und Politgrößen sowie die vielfältige Sicht der KünstlerInnen auf sich selbst bieten, werden in dieser Auswahl auch formale, kunsthistorische Aspekte thematisiert: etwa das Verhältnis zwischen Malerei, Skulptur und Fotografie, die Einbeziehung vorgefundener Objekte in die Gestaltung von Porträts, der Weg vom Selbstbildnis zur Selbstdarstellung oder die Möglichkeiten, Körperempfindungen visuell nachvollziehbar zu machen. Das älteste Bild der Ausstellung entstand rund 50 Jahre nach Erfindung der Fotografie. Das neue Medium hatte nachhaltigen Einfluss auf die Bildgattung Porträt. Einerseits ersetze die Fotografie teilweise die Malerei, andererseits eröffnete sie der Porträtmalerei neue Fragestellungen. Befreit vom Zwang zur fotografischen Ähnlichkeit, ergaben sich neue formale Freiheiten, wie etwa das Bildnis der Familie Schönberg von Richard Gerstl oder im plastischen Bereich die Reihe der fünf Köpfe (von Medardo Rosso bis André Baudin) zeigen. Andererseits demonstrierte die neue Sicht der Dinge, die die Fotografen in den Zwanzigerjahren entwickelten, wie Realität auch mit dem scheinbar so objektiven Medium manipulierbar ist. Um 1960 brachten dann Pop-Art, Nouveau Réalisme, Fluxus, aber auch andere Kunstströmungen eine Kombination von Fotografie und Malerei. Fotos und Magazinseiten wurden in das Bild integriert (Peter Blake, Wolf Vostell), durch Lösungsmittel im Abklatschverfahren (Robert Rauschenberg) oder drucktechnisch (Andy Warhol) auf die Leinwand übertragen. Wurde hier das Foto als Objekt verwendet und – wie andere Dinge auch – mit der Malerei verbunden, so war der fotografische Blick die Basis für die Malerei der Fotorealisten. Heute gibt es ein gleichberechtigtes Neben- und Miteinander. Die Malerei kann sich der Fotografie bedienen, und die Fotografie hat hinsichtlich ihrer Formate und ihrer Präsentationsform schon längst zur Malerei aufgeschlossen. Fast 200 Werke aus der Sammlung – Gemälde, Zeichnungen, Plastiken, Fotografien und Videos – demonstrieren den Wandel, die Entwicklung, die gesellschaftliche Relevanz und die kritische Hinterfragung der Kunstgattung Porträt. In 13 Kapiteln werden einige der Möglichkeiten vorgestellt, wie sich KünstlerInnen seit knapp über 100 Jahren mit dem Thema Porträt auseinander gesetzt oder es bewusst oder unbewusst, näher oder weiter umkreist haben.

Parameters

ISBN
9783900776954
Publisher
Brandstätter

Categories

Publication

2004

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