Wenn ein Reisender in einer Winternacht
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Des Lesers Alptraum: Mitten im Sog der Worte, gerade an der spannendsten Stelle, bricht die Geschichte plötzlich ab, zum Beispiel weil das Buch falsch gebunden ist. Jenem Leser, den Italo Calvino zum Helden seines Romans macht, passiert dieser unfreiwillige Lektüre- Interruptus aus diversen Gründen gleich zehnmal nacheinander. Wenigstens lernt er, als er zwecks Beschwerde und Umtausch in den Buchladen zurückeilt, eine Leserin kennen, der dasselbe Mißgeschick widerfahren ist. Gemeinsam machen sie Jagd auf die Fortsetzung der Geschichte, geraten aber statt dessen in immer neue Romananfänge. In einem der ungewöhnlichsten Bücher dieses Jahrhunderts zeigt sich Italo Calvino von seiner gewohnten Seite, nämlich als Schelm durch und durch: Er spielt mit Erzählhaltungen und Genres (vom Agententhriller bis hin zum pornographischen, phantastischen oder metaphysischen Roman), entwickelt nebenbei eine Philosophie des Lesens und fabuliert darüberhinaus, daß sich die Balken biegen. Mögen die Literaturwissenschaftler auch etwas von \"postmodernem Roman\" raunen und \"Wenn ein Reisender in einer Winternacht\" diesbezüglich als Fundgrube preisen, dem Lesevergnügen tut das keinen Abbruch, sobald man sich eingelassen hat auf dieses grandiose Verwirrspiel mit Schein und Wirklichkeit. Calvino macht uns Leser ebenso offensichtlich wie hinterlistig zu seinen Co-Autoren, die in ihrer Phantasie an jenen zehn Textflicken weiterweben, die ja vielleicht tatsächlich aus einem einzigen, unermeßlichen Erzählteppich stammen, in dem alle vorstellbaren Geschichten versponnen sind. Die einzige Geschichte, die schließlich ein Ende zu finden scheint, ist jene von Leser und Leserin -- aus den Zwischenkapiteln entwickelt sich der eigentliche Roman. Die beiden heiraten und verbringen die Hochzeitsnacht mit leidenschaftlicher -- na, was wohl! -- Lektüre. --Christian Stahl