Die fast immer lacht
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Zum ersten Mal auf einer Bühne: Fünf Minuten Angst ... Ich stehe mit meiner Gitarre hinter der Bühne, die Bässe dröhnen in meinem Ohr. Sie sind jedoch nicht so laut wie mein Herzschlag, den ich wie ein Hämmern in meinem ganzen Körper spüre. In meinen Gedanken gehe ich noch mal alles durch ... Wie verhält man sich auf so einer Bühne? Und wie - um Himmels willen - soll ich Gitarre spielen und singen, während mein ganzer Körper zittert wie ein Espenlaub? Ob die Menschen das sehen werden? Was sage ich, wenn ich auf dieser Bühne stehe? Worauf habe ich mich eingelassen? Ich kann es nicht fassen, dass ich mich wegen des Geldes dazu habe hinreißen lassen. Man wird mich sicherlich gleich von der Bühne buhen ... Ich beschimpfe mich wüst in meinen Gedanken und laufe wie ein Löwe den kleinen Gang auf und ab. Es tut sich was. Ich höre, wie der DJ die Musik runterregelt und eine Art Trommelwirbel zum Einsatz kommt. Mir wird schlecht ... Jetzt, genau jetzt müsste ich auf die Toilette, mein Magen dreht sich. Ich stehe auf dieser kleinen Treppe hinter dem Vorhang und warte auf das vereinbarte Zeichen ... Heute Abend zu Gast ... Kerstiiiiiiiiiiiin Ott, ist das letzte woran ich mich erinnern kann ... Danach läuft alles ab wie in einem Film. Vielleicht auch wegen der halben Flasche Wodka, die mir zum Überleben des Abends hatte helfen sollen. Eines schwor ich mir - mich nie wieder auf eine Bühne zu stellen, um zu singen ... Ich war 16 Jahre alt, total verliebt in meine beste Freundin und hatte mich mit einer Kassettenaufnahme bei einem Talentwettbewerb in der Gegend beworben. Sofort erhielt ich die Zusage, mitmachen zu dürfen. Glasklare Stimme und ein Text, den man einer 16-Jährigen so nicht zutraut, waren die Bemerkungen der Veranstalter. Ich wähnte mich in absoluter Sicherheit und lud alle meine Freunde zu der Veranstaltung ein, wollte ich doch beweisen, was für ein krasser Rockstar ich bin. Leider hatte ich auch meine heimliche Liebe eingeladen. Nicht gerechnet hatte ich damit, dass man vor Nervosität einen Stimmverlust erleiden kann. So kam es, wie es kommen musste. Mein Lied, übrigens 5:48 Minuten lang, wurde zu einer einzigen Katastrophe. Stimme weg, Angstschweiß, und in dem ach so romantischen Instrumentalsolo versagte auch noch mein Feuerzeug, mit dem ich die Zuschauer animieren wollte, es mir gleichzutun. Es war so ziemlich der peinlichste Moment in meinem Leben, und ich war mir sicher, dass ich diese Erfahrung nicht noch einmal erleben wollte. Kerstin Ott