Ins Ungefähre
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Während die Differenz in den Theoriedebatten des 20. Jahrhunderts Schule machte, versammelte die Geschichte der Ähnlichkeit, von der unser Erkennen und Urteilen abhängt, nur wenige Anhänger um sich und war selten Ausgangspunkt kulturtheoretischer Diskussionen. Dabei ordnen wir die Welt, die Dinge, Farben, Töne und Erinnerungen, Gesichter und Geschichten, indem wir Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten wahrnehmen und bewerten. Ähnlichkeitsoperationen enthalten ein Urteil und verbinden damit Erkenntnis und Interesse. Ohne solche Verfahren der Annäherung wären wir weder in der Lage zu erkennen noch zu kategorisieren oder uns an etwas zu erinnern. Und ohne die Fähigkeit, etwas oder jemanden zu imitieren und nachzuahmen, erlernen wir weder eine Sprache noch Klavierspielen, weder Radfahren noch Seilspringen. Wiedererkennen, Zuordnen und Urteilen sind grundlegende Fähigkeiten, mit denen wir uns im Alltag orientieren. All diesen Operationen und Praktiken liegt einerseits das Wiederkennen und Abgleichen von Ähnlichkeiten zugrunde, andererseits aber auch eine Entscheidung darüber, welche Kriterien die angenommene Ähnlichkeit erfüllen muss. Ähnlichkeiten nicht zu erkennen, heißt daher oft, sie bewusst zu leugnen, etwa wenn kulturelle Zugehörigkeit oder eben Fremdheit und Alterität behauptet werden. Werden Ähnlichkeiten zugunsten von Differenzen und Oppositionen übersehen, so ist dies nicht nur ein erkenntnistheoretisches, sondern vor allem ein politisches Problem. Die Gleichheit vor dem Gesetz und die Ähnlichkeit der Kulturen ergänzen sich und machen deutlich, dass radikale Alterität keine Gegebenheit, sondern eine Frage der Perspektive ist. Ins Ungefähre stößt nicht in entlegene oder unbekannte Regionen des Denkens vor, sondern führt zu einem theoretisch wie praktisch anschlussfähigen Konzept, das in der Moderne zwar immer wieder thematisiert, dann aber doch folgenreich übergangen wurde.