Ein pädagogisches Poem
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Die Oktoberrevolution fegte 1917 Adel, Kapital und Großbauerntum – alle, die sich an der Arbeit anderer bereichern, davon und schuf die Grundlage für ein Leben ohne Ausbeutung und Hunger. Ein solches Leben für Millionen aufzubauen kann aber nur gelingen, wenn das Elend der alten Welt Stück für Stück zur Vergangenheit gemacht wird und aus dem Kampf um das Neue tatsächlich neue Menschen erwachsen. Die Ausgangsbedingungen dafür waren im Russischen Reich denkbar ungünstig: Die Rückständigkeit der Industrie, die Zerstörungen des Ersten Weltkriegs, der Bürgerkrieg antibolschewistischer Kräfte und die Intervention von 14 kapitalistischen Staaten, darunter das Deutsche Reich, stellten die junge Arbeitermacht und den sozialistischen Aufbau vor schier unlösbare Probleme. 1922 lebten in der späteren Sowjetunion 7 bis 9 Millionen obdachlose Kinder und Jugendliche. Verwahrlost, jahrelang auf sich allein gestellt, den Blick nur auf sich und die eigenen Belange gerichtet, teils in kriminellen Banden umherziehend – wie sollte mit dieser Generation die neue Welt erbaut werden? Schließlich stellten sie einen bedeutenden Teil der Jugend und damit der Zukunft des Landes dar. Vor dieser Aufgabe stand Anton Semjonowitsch Makarenko, als er sich an die Neuorganisierung der sowjetischen Erziehung im Kollektiv machte. Für straffällig gewordene Jugendliche gründete er die später als „Gorki-Kolonie“ bekannt gewordene Arbeitsschule, deren Entwicklung und Erfahrungen „Der Weg ins Leben“ schildert (1920 bis 1928). Am Anfang stehen Sadorow, Burun, Wolochow, Bendjuk, Gud und Taranez, die sich von Makarenkos Versuchen unbeeindruckt zeigen, das gemeinsame Leben gemeinsam zu organisieren. Bendjuk wird nach kurzer Zeit als Raubmörder verhaftet. Anstatt zu resignieren, schlussfolgert Makarenko, „dass die Theorie erst aus der Summe der sich vor meinen Augen abspielenden Erscheinungen abgeleitet werden müsse“. Weniger würden abstrakte Erziehungsformeln nützen, als unverzügliche Analyse und unverzügliches Handeln. Nachdem Sadorow ihn beleidigt hat, schlägt Makarenko völlig entgegen seinem erzieherischen Anspruch „in einem Anfall von Wut über die erlittene Beleidigung, aufgepeitscht bis an die Grenze der Verzweiflung und der Raserei durch all die vorhergehenden Monate“ den körperlich überlegenen Sadorow, und bereut es sofort. Die Jugendlichen erkennen, dass Makarenko es so ernst mit ihnen meint, dass er sich in Gefahr begibt. Bald kommen weitere Kinder und Jugendliche. Die ersten Bewohner der Kolonie sind es, die nun das Kollektiv, dessen erste, schüchterne Ansätze durch Arbeit entstehen, voranbringen. Felder werden bestellt, Werkstätten eingerichtet, Unterricht findet statt, Theater und Musik halten Einzug… Makarenko war kein Utopist. Er lehnte althergebrachte Bestrafungen ab, obwohl er sich der menschlichen Schwächen und der Muttermale der alten Gesellschaft bewusst war. Den Weg aber, diese zu überwinden sah er nicht in körperlicher Züchtigung, sondern in der Erkenntnis, dass das neue Leben nur gemeistert werden kann, wenn der Mensch Herr im eigenen Hause ist und sich der Disziplin des Kollektivs unterwirft – in der Kolonie wie im Sowjetstaat. „Höchste Anforderung an den Menschen, gleichzeitig aber höchste Achtung vor ihm“, so das Prinzip seiner Pädagogik. Makarenko wirkte in den Jahren 1927 bis 1935 in einer weiteren Kommune für Jugendliche und ist vielgeachteter Autor pädagogischer und anderer Schriften.