Doppelt leben
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Welchen Sinn haben Texte, die für den Tag geschrieben wurden, zwischen zwei Buchdeckeln? Welcher Tag ist gemeint? Als Autor von Sätzen knüpft man an und knüpft weiter. Es gibt Wahrnehmungen, die wissen nichts vom jeweiligen Tag, dafür aber vom Moment, der die Jahrhunderte zieht. Das klingt arrogant. Der Feuilletonist ist wie der Schauspieler, der den Beruf nicht ergreift, um unbemerkt zu bleiben. Wie würden Sie Ihr Lebensgefühl beschreiben? Als Schreibensgefühl. Alles im Leben ist uns Anlass, das Eigene zu legitimieren. Niemand ist selbstlos, jeder erfindet die Philosophie, die seinem Leben recht gibt. Aus diesem Grunde lese ich, sehe ich Theater, und im Nachdenken über Vorlieben helfe ich mir über bittere Vorläufigkeit, gnadenlose Nichtigkeit, kalte Endlichkeit hinweg. (Aus einem Interview mit dem Autor) „Hans-Dieter Schütt schreibt Aufsätze, Feuilletons, Rezensionen in einer aufregenden Mischung aus Vorsicht und Bestimmtheit. Man wird weniger in feste Urteile gezwungen, eher in ein Tasten und Beobachten und Mit-Fühlen, aber auf jeden Fall wird man in eine eigensinnige Sprache hineingezogen. Aus einem Agitator, der zu DDR-Zeiten Sprache benutzte, ist ein Essayist geworden, der sich von Sprache überraschen lässt. Er ist Autor eines Seelenwandels, näher nunmehr den Skeptischen, Verzweifelten, gewissenhaft Scheiternden. Ja, den Liebenden. Hier genießt einer die Freiheit in Demut, und Schreiben ist ihm ein Erzählen von den Lebenslüsten, die daraus entstehen.“ (Friedrich Schorlemmer) Hans-Dieter Schütt: Jahrgang 1948, ist Theaterwissenschaftler und seit 1992 Feuilletonredakteur der Tageszeitung »Neues Deutschland«. Er veröffentlichte zahlreiche Interviewbücher (Reinhold Messner, Klaus Löwitsch, Gert Voss, Thomas Langhoff, Frank Castorf, Alfred Hrdlicka, Robert Menasse, Inge Keller, Gerhard Gundermann) sowie Biographien über Kurt Böwe und Regine Hildebrandt. Er publizierte die Essaybände »Die Farbe Schwarz-Weiß« und »Glücklich beschädigt – Republikflucht nach dem Ende der DDR«. Gemeinsam mit dem Regisseur Ullrich H. Kasten drehte er die Dokumentarfilme »Die Langhoffs – ein deutscher Winterstern«, »Der eiserne Vorhang – Theater in Berlin«, »Hitler und Stalin – Porträt einer Feindschaft« sowie »Molotow – Der Mann hinter Stalin«. Im Karl Dietz Verlag Berlin erschien zuletzt: »Hauptsache kopflos« (gemeinsam mit Harald Kretzschmar).