Willy Steiger (1894–1976)
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Willy Steiger schloss 1914 im Volksschullehrerseminar in Leipzig-Connewitz die Ausbildung für den mit Neigung ergriffenen Beruf ab. Als jugendbewegt geprägtes Mitglied der Wandervogelbewegung meldete er sich sogleich als Kriegsfreiwilliger. Er diente zunächst an der Westfront. Während der Herbstschlacht 1915 in der Champagne überlebte er einen Giftgaseinsatz nur knapp – und hatte aber lebenslang seinen Geruchssinn verloren. 1916 wechselte er freiwillig in die Orientarmee. Als jüngster Offizier der Pascha I-Verbände bildete er deutsche, türkische und arabische Soldaten für die Anwendung moderner Waffentechnologien aus und wurde zugleich Zeitzeuge und später auch mit seinem Roman »Soldat Jürgen bei den Türken« (1928) ein Chronist des Völkermords an den Armeniern. Nach dem Desaster der Palästinaschlacht geriet er im Herbst 1918 für ein Jahr in britische Kriegsgefangenschaft in Sidi Bishr (Ägypten). Am Anfang der Weimarer Republik avancierte Steiger zu einem der erfolgreichsten Reformpädagogen und wirkte in der staatlichen Versuchsschule der Gartenstadt Hellerau bei Dresden. Überregional bekannt wurden seine veröffentlichten Praxisberichte. Es folgten gesundheitspädagogische und technikdidaktische Publikationen sowie eine kindgerechte Pionierarbeit zum Thema der Globalisierung. – Nebenberuflich arbeitete Steiger als Lektor für den Carl Reissner Verlag in Dresden, der seit 1923 von seinem Freund, dem Schriftsteller und Kulturpsychologen Harry Schumann, zu einem der erfolgreichsten Verlagshäuser etabliert wurde, bis 1938 die Liquidation erfolgte. Die Nationalsozialisten verfügten Steigers Zwangsversetzung als Lehrer, seine aktive Unterstützung für verfolgte jüdische Autoren im In- und Ausland blieb von den neuen Machthabern unentdeckt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lehrte Steiger wieder an der Volksschule in Hellerau und schrieb Gesundheits- und Erziehungsratgeber. Von überregionaler Bedeutung wurde nochmals sein leidenschaftliches Plädoyer für eine unvoreingenommene Reformpädagogik-Rezeption während der nur halbjährigen »Tauwetterperiode« 1956 im Osten Deutschlands. Posthum erlebte sein reformpädagogisches Hauptwerk »S’ blaue Nest« (1925) auf dem Höhepunkt der konsequentesten Bildungsreformphase in der Bundesrepublik durch Reprintausgaben 1977 und 1978 eine Wertschätzung. Dennoch sucht man Steigers Namen in den aktuellen Nachschlagewerken zur Geschichte und Gegenwart der Reformpädagogik leider vergeblich.