Identität im Übergang: Kant
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Überzugehen von einem Zustand zu einem anderen: das ist die Grundfigur, in der sich das Leben vollzieht. Unsere Identität aber ist nicht nur das, was wir trotz aller Übergänge wahren, sondern auch und vor allem das, was wir in ihnen, immer neu, zu gewinnen suchen. Freilich: schon der erste Übergang des Lebens – der ins Leben – wird uns gewaltsam angetan. Geboren werden heißt: ungefragt anfangen müssen. Und die Kontingenz dieses Anfangs prägt alles, was mit ihm angefangen hat. Wie wir, obgleich so zum Leben gezwungen, zuletzt doch auch zwanglos und frei am Leben zu bleiben vermögen: dies will Kant uns verständlich machen. Moralisch sein heißt: dem zufälligen Anfang nachträglich zuzustimmen und das aufgenötigte Dasein selbsttätig fortzuführen. Kant hat exemplarisch gezeigt, wie Handlungsregulierung und Kontingenzaneignung systematisch ineinandergreifen. Dies ist ein Maßstab für jede Moralphilosophie: Es genügt eben nicht, Normen unseres Handelns zu rechtfertigen; es muß auch einsichtig werden, wie wir es mit dem aufnehmen können, was wir als Gegeninstanz unseres Handelns erleben, wie es uns also gelingen kann, mit dem Zufall zu leben: mit dem, der uns trifft, und, schwerer noch, mit dem, der wir selber sind. Der Erschließung dieser Gedanken Kants gilt dieser Versuch, seine Texte phänomenologisch zu interpretieren, also die begriffliche Rekonstruktion an die anschauliche Deskription zurückzubinden. Dann läßt sich die formale Theorie der Identität verstehen als Resultat der Selbstbesinnung handelnder Subjekte, als Entfaltung dessen, was in ihrem Bewußtsein an unabweisbaren Forderungen und notwendigen Unterstellungen impliziert ist.