Feindbild: Minderheit
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Auf der Straße, in den Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen - überall wird mit dem „Türken“, dem „Russen“, dem „Asylanten“, dem „Deutschen“ usw. argumentiert. Im Mittelpunkt solcher Argumente steht dabei in der Regel die Vorstellung von gruppenspezifischen Eigenschaften. Um welche besonderen Eigenschaften es sich dabei im Einzelfall auch handeln mag, stets geht es um Eigenschaften von größter Geschlossenheit, entschiedener Un verwechselbarkeit, besonderer Tiefe und beträchtlicher Ubiquität. Sozialwis senschaftlich formuliert haben wir es hier mit einer alltäglichen Ethnizitäts vorstellung zu tun. Es ist eine Vorstellung, die auch in der Wissenschaft lange im Gebrauch war und es in manchen Disziplinen sogar noch bis heute ist. Heute zeigt sich freilich zunehmend, daß eine derartige Ethnizitätsvor stellung allenfalls eine sehr problematische soziale Konstruktion darstellt. Problematisch ist dabei nicht ihre konstruktive Grundstruktur. Derartige Vorstellungen bestehen stets aus komplexen kulturellen Gebilden, in denen die verschiedensten Zusammenhänge über die Zeit hinweg ihre Spuren hinterlas sen haben. Problematisch ist die gesellschaftspolitische Aufladung einer solchen mehr oder weniger vagen und insgesamt eher spekulativen, im ein zelnen kaum noch nachvollziehbaren Konstruktion. Und besonders problema tisch ist deren ahistorische und ungesellschaftliche Handhabung. Hier werden keine Vorstellungen erarbeitet und auf den Begriff gebracht. Vielmehr werden die zuhandenen Ethnizitätsvorstellungen ohne zu zögern aufgenommen und zur Erzeugung von Gruppen eingesetzt. Sie erscheinen dabei zunehmend immun gegenüber konkreter gesellschaftlicher Wirklichkeit wie gegenüber der Vergangenheit. Es ist klar, daß hinter einem derartigenEthnizitätsbegriff ein bestimmtes poltisches Interesse regiert, das mit der Reduktion von ganzen Gesellschaften auf bestimmte Abstammungsgemeinschaften arbeitet.