Die andere Sehnsucht
Authors
More about the book
Der Lyrikband von Sigrid Glück ist nicht konzipiert. Er besteht aus einer Auswahl von Gedichten, die im Laufe einer Zeitspanne entstanden sind. So beschreiben sie verschiedene Lebensstationen und Reifeprozesse der Verfasserin, z. B. ihre Kindheit: Über der Welt, Geschwister; Beziehungserfahrungen in den Liebesgedichten wie: Wie schön wir sind, Schweigendes Einvernehmen, Brandherd, Mir träumte. In ihren Gedichten spiegelt sich der Versuch, durch Poesie Kräfte und Gegenkräfte in ein Gleichgewicht zu bringen. Und immer teilt sich eine starke Subjektivität mit. Gleichzeitig setzt sie das Lyrische ICH immer wieder in Interaktion mit Personen, gesellschaftlichen Zuständen und zur Natur: Was uns bleibt, Vogelflucht, Weißt du noch. Reine „Weltanschauungsgedichte“ lassen sie kalt, wenn nicht die eigene Subjektivität darin zu spüren ist: Daß du mich findest, Reflexionen über eine Reise in die Ukraine … Abgetrennt vom Subjekt des Dichters gibt es für sie keine Poesie. All ihre Gedichte sind auch Selbstauseinandersetzungen. Dabei unterwirft sie sich keinen „Moden“, ist nicht in eine bestimmte „Strömung“ einordenbar. Sie schreibt in einer ganz eigenen ruhigen, klassischen, aber nicht antiquierten Weise. Ihr Motto: Weniger ist mehr. Es ist kein „Anhäufen“ von Wörtern und Bildern zu Unüberschaubarem, auch wenn sie in dem Gedicht Was uns bleibt am Ende schreibt: / halte ich mich an die Wörter / die ich auflese / hinter einer Wegbiegung / und an guten Tagen / bis zum Himmel staple/. Ihre Gedichte sind meist kurz und prägnant, bestehen nicht einfach aus Aufgeschriebenem, sondern viel mehr aus Weggeschlagenem wie bei einem behauenen Stein. Das Gedicht wächst aus Gedanken und Zwischenräumen und ihrem Verhältnis zueinander. Ein Mittel, um sich und ihre Welt besser zu verstehen, ist das Projizieren ihrer Gedanken und Befindlichkeiten nach außen, in die Natur und die sie umgebende Landschaft ihrer Wahlheimat am Wolfgangsee. Und umgekehrt beschreibt sie diese Landschaft und sucht ihren Platz darin. Sie „vermischt“ das Innen und Außen, verleibt sich die Landschaft ein und geht in ihr auf, das Ich wirft etwas von sich nach außen und holt es sich später aus dem Raum wieder zurück. Die Gedichte öffnen uns Räume, in denen Augenblicke menschlichen Daseins aufleuchten.