In einer Familie
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\"Mein lieber junger Freund, Ihr Roman soll in neuer Ausgabe erscheinen. Der Verleger schickte ihn mir, damit ich ihn stilistisch auffrische und einige Ihrer Gedanken zurechtbiege. Diesen Roman schrieb ich so früh, dass ich unmöglich noch zu ihm stehen kann. Werden Sie mir den Eingriff verzeihn?\" So schreibt der fünfzigjährige Heinrich Mann 1924 seinem ihm fremd gewordenen jüngeren Ich anlässlich der Wiederveröffentlichung seines ersten Romans In einer Familie . Er hätte durchaus zu ihm stehen können, zeigt diese 1894 erschienene Liebestragödie doch schon unverkennbar die Grundmuster seiner späteren Werke. Der junge Erich Wellkamp, ein schwächlicher Charakter (wie er sich durch das gesamte uvre Heinrich Manns zieht), macht in der Sommerfrische die Bekanntschaft des Majors von Grubeck und dessen Tochter Anna. Zielsicher erkennt Wellkamp, dass sich mit ihr sein Anlehnungsbedürfnis und das Streben nach Ruhe im sicheren \"Hafen der Ehe\" verwirklichen ließe. Bald darauf findet die Vermählung statt und das junge Paar zieht in die Wohnung des Majors. Dort trifft Erich zum ersten Mal auf seine Schwiegermutter Dora von Grubeck, die zweite, wesentlich jüngere Ehefrau des Majors. Der Konflikt beginnt. Langsam und immer tiefer gerät er in den Sog dieser Frau, es kommt schließlich zum Äußersten -- und Ruhe und Beschaulichkeit im Grubeck'schen Bürgerkosmos geraten in bedrohliche Schieflage. Der Figur Doras, eindeutig der Mutter Heinrich Manns nachempfunden, widmet der Autor allergrößte Aufmerksamkeit und Liebe. Sie ist Femme fatale und Dirne, in der aber das Leben tost. Der Major i.R. hingegen ist buchstäblich i.R. und selbst die gebildet-spröde Anna bleibt nur ein blasses Gespinst. In dieser Hinsicht schuf Mann schon mit seinem Erstling ein psychologisch vorzüglich durchgearbeitetes Spiegelbild damaliger bourgeoiser Moralvorstellungen und sexueller Verklemmung, eine Spezialität, die er in seinen späteren Romanen Der Untertan und Professor Unrat noch vervollkommnen sollte. --Ravi Unger