1946 wird ein Kind im Nordwesten Deutschlands geboren. Der Vater ist Pole, Soldat der polnischen Besatzungsarmee, die in der britischen Besatzungszone agiert, die Mutter Deutsche. Die Liebe scheitert, der Soldat geht zurück nach Polen, und das Kind – ein Sohn – wächst ohne Vater auf. Erst viele Jahre später gibt es einen Kontakt. Und noch einmal viele Jahre später begibt sich Kolja Mensing, der Enkel, auf eine Spurensuche in Deutschland und Polen. Er entdeckt, dass Familiengeschichten nie so eindeutig sind, wie sie erzählt werden, und dass Krieg und Besatzungszeit auch seine Generation noch prägen. 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beleuchtet 'Die Legenden der Väter' darüber hinaus die historischen Umstände der polnischen Besatzungszone, die zwischen 1945 und 1948 im nördlichen Emsland und rund um Oldenburg und Leer existierte und über die heute nur wenig bekannt ist. Das Buch ist eine vollständig überarbeitete Neuausgabe und wurde vom Autor mit einem aktuellen Nachwort versehen.
Kolja Mensing Books


Wie komme ich hier raus?
- 189 pages
- 7 hours of reading
Du stehst an einer Autobahnauffahrt irgendwo auf dem Land und möchtest am liebsten alles hinter dir lassen: die weißen Betonkübel in den Straßen der Neubausiedlung, die Bushaltestelle, an der du nach der Schule mit den anderen herumhängst, und das Kino, in dem nur Filme laufen, die du nicht sehen willst. Du träumst davon, der Kleinstadt an diesem Nachmittag den Rücken zu kehren und nie wieder zurückzukommen. Erst später erkennst du, was du wirklich zurückgelassen hast: Die Provinz ist der Hintergrund, vor dem du dein weiteres Leben entwirfst. Für den 16-Jährigen war sie noch die ungeliebte Hülle, die er so schnell wie möglich abstreifen möchte. Für den 26-Jährigen steht sie bereits für einen ganzen Lebensentwurf, von dem er sich verabschiedet hat: Ab jetzt geht es nur noch vorwärts. Das ist der Vorteil derjenigen, die in Westerstede, in Elsterwerda oder Mühlacker geboren wurden und diese kleinen Städte verlassen haben. Sie wissen, wo sie herkommen, und sie wissen, wohin sie nie wieder zurückwollen. Kolja Mensing erzählt vom Aufwachsen fern der Großstadt und skizziert eine Topologie und Soziologie der Provinz. Denn „Provinz“ braucht heute keinen Ort mehr, sondern ist zu einem gesellschaftlichen Phänomen geworden: Unsere Herkunft holt uns ein.