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Carl-Christian Elze

    April 26, 1974
    Stadt/Land/Stopp: Gedichte
    panik/paradies
    Freudenberg
    Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist
    • Ein großes wildes Wagnis sind diese Gedichte, die eine verwegen aufspielende Stimme vorantreibt. Pathos und Melancholie? Liebesgedichte? Das assoziert man weder mit dieser Dichtergeneration noch mit dem Leipziger Lyriker Carl Christian Elze, der mit „Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist“ seinen dritten Gedichtband vorlegt und den Leser in jedem Gedicht auf mehrere Fährten lockt. Und wie der Titel nahelegt, ist das Pathos mit Vorsicht zu genießen. Denn in diesen außergewöhnlichen Versen finden sich rasch auch „fickende Fliegen“ in den Köpfen. Und die vermehren sich naturgemäß rasch.

      Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist
    • Der 17-jährige Freudenberg spricht nur gezwungenermaßen mit seiner Umwelt, fühlt sich fremd in ihr. Er hat Sehnsüchte, Phantasien, Träume - doch ihm fehlen die Worte, um sich verständlich zu machen. Also treffen andere die Entscheidungen für ihn. Während eines Familienurlaubs an der polnischen Ostseeküste bietet sich unverhofft die Chance, sein fremdbestimmtes Leben hinter sich zu lassen: An einem verlassenen Strandabschnitt findet er den Leichnam eines Jungen, der von der Steilküste ab-gestürzt ist. Freudenberg vertauscht Kleidungsstücke, Brieftaschen und Ausweise, inszeniert seinen eigenen Tod und nimmt eine neue Identität an. Doch schon bald überfordert ihn die neu gewonnene Freiheit und er kehrt in die elterliche Kleinstadt zurück, wo man ihn gerade beerdigt hat. Ein Gerüst aus Lügen soll ihm den Rückweg in sein altes Leben ermöglichen, aber dieses Gerüst trägt nicht

      Freudenberg
    • Carl-Christian Elze erkundet in seinen Gedichten die großen Schauplätze menschlicher Erfahrung und nimmt die Leser*innen auf eine Expedition in die menschliche Existenz mit. Es entfaltet sich ein Kampf zwischen Angst und Zuversicht, Panik und Produktion, Glauben und (Ver)Zweifeln. Die Gedichte eröffnen ein breites Spektrum an Themen: Kindheit und deren Erinnerungen, Geschichtserzählung, tradiertes Wissen und reflektierte Kritik, sowie die Auswirkungen von Politik auf unser Selbstbild und die Wahrnehmung anderer. Elze führt uns durch die extremen Kippmomente der Empfindungen, die von Faszination zu Verachtung, von Begehren zu Langeweile und von Liebe zu Gleichgültigkeit wechseln. „So viel falsches und gutes in einem. / heilig heillos verpackt. was überwiegt?“, reflektiert Elze über die Menschheit. Seine Gedichte sind präzise, spielerisch und voller Zuneigung, ohne je pedantisch oder verknallt zu wirken. Sie spiegeln unsere Empfindungen beim Lesen wider: Wie begegnen wir Schmerz, Tod und Trauer? Elze nutzt verschiedene Formen — Terzinen, Sonette, Balladen — um die existenziellen Fragen zu fassen. In der Vielstimmigkeit des Bandes liegt eine Möglichkeit zur Ausdruckskraft. „panik/paradies“ ist eine unbedingte, schonungslose Hingabe an die Existenz und die unendlichen Fragen, die sie aufwirft.

      panik/paradies
    • Im Gestus des Kinderspiels, das die Fassbarkeit des Universums in Stadt-Land-Fluss-Kategorien suggeriert, bedichtet Elze nicht weniger als die ganze Welt. Diese umfasst die großen Städte und ferne Länder – etwa in einem Vietnam- Reisezyklus mit Flugangst – ebenso wie den kleinen plattgefahrenen Igel, dessen 'deutsches schicksal auf japanisch' er in kunstvoller Haiku-Form dokumentiert. Sie enthält die große Liebe, die im 'mädchenzimmer' beginnt, zart duftende Erotik ('früchtefleisch') sowie einen knallharten Politessen-Porno auf 'p'. Selbstvergessen wird die Natur, selbstbewusst der menschliche Körper betrachtet, der von der biologischen Verschmelzung ('ballade von den schönen hüllen') bis zur Vivisektion nicht nur Familiengeschichte, sondern auch 'grammatik' produziert. Barocke Bildgedichte, traditionelle Liedformen, die Kunst des sinnlichen Klang- und Reimspiels und moderne Performance- Rhythmen – Elzes Spielfeld umfasst das gesamte Manual der Dichtkunst. In diesem ebenso lebensfrischen wie formbewussten Gedichtband ist ein zeitgenössischer Lyriker zu entdecken, der nicht nur dichtet, sondern auch schlicht und einfach begeistert.

      Stadt/Land/Stopp: Gedichte