Mallarmé ist ein Phänomen: so groß sein Ansehen, so gering weithin die Kenntnis seines Werkes. Das ist Absicht. Seine Dunkelheit sollte ungebetene Gäste fernhalten. Dies gilt besonders für sein letztes Gedicht, den ,Coup de dés'. Es trägt ein verschlüsseltes Manifest der zweiten Moderne vor. Seiner Kühnheit wegen nannte es der Autor selbst einen ,acte de démence'. Es breitet verbale Fragmente einer Geschichte aus, die hätte ausführen können, warum es diese Geschichte nur noch als ,verworfene' geben kann. Sie dreht sich um einen Würfelwurf des Denkens und Dichtens, der nicht stattfindet, und einen gelungenen Schiffbruch der Schrift. Darin ist das ganze ,System' Mallarmé aufgegangen, seine libidinösen Motive ebenso - wie eine alternative Ethik. Namhafteste Stimmen des 20. Jahrhunderts ließen sich davon inspirieren.
Winfried Wehle Books


Pharmakon Kunst
Genesis – Dante – Boccaccio – Cent nouvelles nouvelles – Giorgione / Tizian
In der Vormoderne wurden, um Krankheiten zu heilen, die Seelen-, die Temperamenten-, die Elementen- und die Lebensalterlehre genutzt, die in der Humoralpathologie zusammenliefen. Auch Kunstwerke hatten von Anbeginn an unter anderem eine therapeutische Funktion, die sie legitimierte – denn als autonom konnten Literatur und Bildende Kunst noch kaum gelten. Diese Funktion wiederum wurde maßgeblich von ihrer didaktischen Wirkung her bestimmt: Kunstwerke sollten an einem humanen Menschenbild arbeiten. Gerade namhafte Kunstwerke haben diesen Zweck selbst mit dargestellt und dabei den engen Zusammenhang von melancholischem Krankheitsbild und ästhetischem Gemütsausgleich thematisiert. Anhand der in diesem Buch behandelten Werke wird gezeigt, dass diese eine psychophysische Therapiefunktion ausgeübt haben und dass man sie insofern als Teil der zeitgenössischen Praxis des Heilens verstehen kann.