"Mit der Feder in der Hand"
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Mehr als 200 Briefe aus der Feder Louise Gottscheds lassen für uns die Biographie der gelehrtesten deutschen Frau des 18. Jahrhunderts, wie Kaiserin Maria Theresia sie einst bezeichnete, lebendig werden. Die hochgebildete Schriftstellerin, Übersetzerin und Herausgeberin unterschiedlichster Werke, Vorbild für viele Frauen ihrer Zeit ist der Nachwelt zu Unrecht meist nur als Gattin des berühmten Literaturpapstes und Sprachreformators Johann Christoph Gottsched bekannt. Ihre Briefe, natürlich, ungekünstelt und häufig von ironisch-witzigem Unterton, richtet sie zunächst von Danzig aus an Gottsched, mit dem sie fünf Jahre verlobt ist. Nach der Hochzeit und dem Umzug nach Leipzig korrespondiert sie mit verschiedenen Adressaten und insbesondere mit ihrer Freundin Dorothee von Runckel in Dresden, zu der sie ein besonders inniges Verhältnis hat und die die Briefe nach Louises Tod 1771/72 auch erstmals publiziert. Es sind politische, kulturgeschichtliche, gesellschaftliche, literarische und persönliche Zeugnisse ersten Ranges. Louise schreibt 'aus der Fülle des Herzens', berichtet etwa vom Polnischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg, von Audienzen bei der Kaiserin und an verschiedenen Fürstenhöfen, von Erholungs- und Bäderreisen, den weitgespannten Projekten ihres Mannes, bespricht literarische Neuerscheinungen, reflektiert über Ehe, Freundschaft, Erziehung, Leben, Tod und die Probleme des Alltags. Mit frappierender Offenheit äußert sie sich selbstbewusst über alles, was sie bewegt und verhehlt dabei nicht ihre Enttäuschung über die doch sehr begrenzten Möglichkeiten, sich als gebildete Frau ihrer Zeit so zu entfalten, wie es den eigenen Fähigkeiten entspräche. Nicht selten wird sie von ihrem Mann zu Hilfsarbeiten auf der 'gelehrten Galeere' herangezogen, etwa zur Beschriftung der Buchrücken sämtlicher Werke seiner Bibliothek, und so ist es denn auch nicht weiter verwunderlich, dass sich zunehmend Lebensüberdruss und Melancholie, ja sogar Todessehnsucht einstellen, die auch die wunderbare Frauenfreundschaft der letzten Lebensjahre nicht aufheben kann.