Mythos Lesachtal
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Gern zeigt man in Bildbänden und Filmen über das enge, hochgelegene Tal, was sich der von der Zivilisation enttäuschte Städter erwartet: intakte Natur, ungestörte Idylle, gesundes, markiges Bauernleben, beruhend auf den alten Werten und ins Mythische zurück führende Traditionen, kurz: die heile Welt. Die Nachfrage verlangt es so, die Realität sieht jedoch anders aus. Das Tal kippt: vom Magischen ins Technische. Der Bauer, der einst dem Boden Erträge ablistete, wird zum landwirtschaftlichen Produktionstechniker. Hatten die Altvordern die Naturvorgänge beobachten müssen, um überleben zu können, so müs-sen die Ökonomen des 21. Jahrhunderts in erster Linie die EU-Richtlinien beachten. Tier und Landschaft werden zu Waren; in denselben Sog gerät auch der Mensch samt seiner Kultur. Was als erschaudern machender Ritus begonnen hatte, endet in Folklore und Werbung. Einiges an Unverkäuflichkeit bleibt trotzdem erhalten. Der Fotograf hat sich gewissenhaft bemüht, der Falle des Gefälligen auszuweichen, um dafür das zu suche, was vor dem immer schöner werdenden Tal war. Strukturell stellen die meisten Bilder das Kippen einer stummen unwirschen Welt zu einer beredten und brauchbaren dar. Den literarischen Zugang in die mythische Dimension bahnt der im Tal geborene Schriftsteller Engelbert Obernosterer mit sehr persönlichen Texten. Im Ganzen handelt es sich um einen Versuch, einer Gegend gerecht zu werden, indem man auch in paar ihrer anderen Seiten zeigt. „Mythos Lesachtal“ ist keine Beschreibung oder Geschichte einer Region Kärntens – es handelt sich um das Paradigma eines Umbruches, der sich in zahlreichen Tälern der Alpen, Pyrenäen, Anden vollzieht.