Die braunschweigische Johanna
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Ein deutsches Requiem nennt Adam Seide seinen Roman, in dem eine 17jährige - kurz vor der Hinrichtung - ihre Lebensgeschichte erzählt. Auch der Richter kommt zu Wort, der 1944, in den letzten Kriegsmonaten, dieses Mädchen wegen Plünderung zum Tode verurteilt. Sie hatte nach einem Bombenangriff aus einem zerstörten Wohnhaus etwas mitgehen lassen. Ein Fall, der zeigt, wie sich die deutsche Rechtssprechung von den Nationalsozialisten hat vereinnahmen lassen. Es gibt zehntausend weitere; ein in seiner Alltäglichkeit unfaßbares Unrecht. Adam Seide nimmt es zum Anlaß zu berichten von denen, die nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen, die nie in Frage gekommen sind als Täter oder Mitläufer, Opfer oder Held. Deren eigenes kleines Leben zu bedrückt ist, um für andere in die Bresche zu springen, die nicht stark sind, auch nicht mutig oder zu jung, aber genug gesehen und erfahren haben, um zu wissen, daß das, was um sie herum geschieht, nicht rechtens ist. Innere Emigration wäre für viele ein zu großes Wort; ohnmächtig haben sie das „Dritte Reich“ ertragen. Wie weit reicht das nationalsozialistische System ins Privatleben derer, die damit nichts zu tun haben wollen. Wie groß ist die Chance jedes einzelnen, da lebend durchzukommen. Es ist das besondere Verdienst des Erzählers Adam Seide, hierfür unaufdringlich-beschreibende, nie anklagende, lakonische Worte gefunden zu haben, und eine Prosa, deren an das Gedicht angelehnter Rhytmus den Leser unweigerlich in den Bann zieht. Trotzdem Seide das Spektakuläre meidet, liest man dieses Totenlied der 17jährigen Johanna atemlos bis zur letzten Seite. Es ist ein deutsches Requiem.